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Infobrief - Hamm - 01/2005

F a m i l i e n r e c h t

Das Oberlandesgericht Hamm und das Kammergericht haben Vorlagebeschlüsse an das Bundesverfassungsgericht gefasst, weil sie die zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruches der Mutter eines nichtehelichen Kindes auf drei Jahre nach der Geburt des Kindes (§ 1615l II 3 BGB) für verfassungswidrig erachten. Die Fristenregelungen des § 1615l II 3 BGB verletzen Rechte aus Artikel 6 V GG. (Hingegen hält das OLG Karlsruhe die bestehende Regelung für verfassungskonform.)

Die Diskussion um die gesetzliche Befristung des Betreuungsunterhalts der nichtehelichen Mutter auf drei Jahre geht mithin weiter. Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 04.02.2004 -1 BvR 596/03- in diesem Zusammenhang einer gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe gerichteten Verfassungsbeschwerde stattgegeben. In der dortigen Entscheidung ist ausgeführt, die Frage, ob die in Höhe und Dauer unterschiedliche Ausgestaltung des Betreuungsunterhalts nebst unterschiedlicher Selbstbehaltsätze des Unterhaltspflichtigen in § 1615l BGB und § 1570 BGB mit dem aus Artikel 6 V GG folgenden Gebot der Gleichbehandlung von unehelichen und ehelichen Kindern vereinbar ist, sei weder eine einfach noch eindeutig zu entscheidende Frage und bislang höchstrichterlich ungeklärt.

OLG Hamm Vorlagebeschluss vom 16.08.2004 – 5 UF 262/04 -

KG, Vorlagebeschluss vom 16.09.2004 – 16 UF 6/04-

Recht- und Verfassungsmäßigkeit des unterschiedlich hohen Selbstbehalts bei Unterhaltsansprüchen nach § 1615l BGB und nach § 1570 BGB

In dem vorgenannten Beschluss vom 04.02.2004 hat das BVerfG einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit festgestellt, wenn ein Berufungsgericht die maßgebliche Frage der Rechts- und Verfassungsmäßigkeit des unterschiedlich hohen Selbstbehalts bei Unterhaltsansprüchen nach § 1615l BGB und nach § 1570 BGB als bislang höchstrichterlich nicht geklärt erkennt, deswegen die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässt, jedoch gleichzeitig zum Nachteil der unbemittelten Partei die entscheidungserhebliche Rechtsfrage als “nicht schwierig” mit der Folge der Versagung von Prozesskostenhilfe ansieht (Beschluss vom 04.02.2004 -1 BvR 596/03-).

Durch eine Entscheidung des BGH vom 01.12.2004 wurde diese Frage nun höchstrichterlich geklärt. Der zuständige 12. Zivilsenat des BGH hatte die Frage zu entscheiden, wie hoch der Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Vaters gegenüber dem Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten Mutter nach § 1615l BGB anzusetzen ist.

Das Gesetz beantwortet die Frage nicht, ob der Selbstbehalt gegenüber dem Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten Mutter mit dem so genannten notwendigen Selbstbehalt, der in den Leitlinien der Oberlandesgerichte gegenwärtig mit monatlich 840,00 € bemessen wird, oder mit dem so genannten angemessenen Selbstbehalt von gegenwärtig 1.000,00 € anzusetzen ist. In Rechtsprechung und Literatur wurde bisher auf den angemessenen Selbstbehalt abgestellt.

Der 12. Senat des BGH hat diesen Ansatz nicht gebilligt, sondern einen Selbstbehalt befürwortet, der vom Tatrichter im Regelfall mit einem Betrag zwischen dem notwendigen und dem angemessen Selbstbehalt zu bemessen sein wird. Hierfür maßgeblich war die durch den Gesetzgeber aus Gründen des Kindeswohls erfolgte Angleichung des Unterhaltsanspruchs der nicht verheirateten Mutter an den Anspruch der geschiedenen Ehefrau wegen Betreuung des ehelichen Kindes nach § 1570 BGB. Von seiner Zweckrechtung her unterschieden sich die jeweiligen Unterhaltsansprüche nicht und es rechtfertige sich auch im Blick auf die Schutzzwecke Artikel 6 IV, V GG keine Ungleichbehandlung der beiden Mütter. Beide Mütter gingen in der Rangfolge den volljährigen Kindern und übrigen Verwandten vor. Andererseits findet der geringere notwendige Selbstbehalt seine Rechtfertigung vor allem in der gesteigerten Unterhaltsverpflichtung gegenüber minderjährigen Kindern nach § 1603 II BGB. Dies gelte jedoch nicht entsprechend für die Unterhaltsansprüche der beiden Mütter. Daher müsse vom Tatrichter ein Betrag zwischen dem notwendigen und dem angemessenen Selbstbehalt gefunden werden.

BGH, Urteil vom 01.12.2004 – XII ZR 3/03-

Wegfall des Unterhaltsanspruchs einer nicht verheirateten Mutter bei Heirat eines anderen Mannes

Der 12. Zivilsenat des BGH hatte sich in einer aktuellen Entscheidung erstmals mit der Frage zu befassen, ob der Unterhaltsanspruch einer nicht verheirateten Mutter gegen den Vater ihres Kindes entfällt, wenn sie einen anderen Mann heiratet. Gesetzlich ist dies entsprechend für den nachehelichen Unterhalt in § 1586 BGB geregelt.

Nachdem die Unterhaltsansprüche der nicht verheirateten Mutter gem. § 1615l BGB denen der geschiedenen Ehefrau wegen der Pflege und Erziehung ehelicher Kinder gem. § 1570 BGB weitgehend angeglichen wurden, hat der Senat dies auch für den vorliegenden Fall umgesetzt und entschieden, dass auch der Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten Mutter aus Anlass der Geburt entfällt, wenn sie einen anderen Mann heiratet.

BGH, Urteil vom 17.11.2004 – XII ZR 83/02 -

Verpflichtung von Behörden und Gerichten der Bundesrepublik Deutschland, unter bestimmten Voraussetzungen die EMRK in der Auslegung durch den Gerichtshof bei ihrer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.

Hierzu folgende Leitsätze des Bundesverfassungsgerichts:

Zur Bindung an Gesetz und Recht (Artikel 20 III GG) gehört die Berücksichtigung der Gewährleistungen der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Entscheidungen des europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegungen. Sowohl die fehlende Auseinandersetzung mit einer Entscheidung des Gerichtshofs als auch deren gegen vorrangiges Recht verstoßende schematische “Vollstreckung” können gegen Grundrechte in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verstoßen.

Bei der Berücksichtigung von Entscheidungen des Gerichtshofs haben die staatlichen Organe die Auswirkungen auf die nationale Rechtsordnung in ihre Rechtsanwendung einzubeziehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich bei dem einschlägigen nationalen Recht um ein ausbalanciertes Teilsystem des innerstaatlichen Rechts handelt, das verschiedene Grundrechtspositionen miteinander zum Ausgleich bringen will.

Zum Inhalt:

Das Bundesverfassungsgericht hatte über eine Beschwerde zu befinden, in der es um die mangelhafte Umsetzung des in der Sache des Beschwerdeführers ergangenen Urteils des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EuGHMR) vom 26.02.2004 –FamRZ 2004, 1456) sowie die Missachtung von Völkerrecht durch das OLG ging. Der Entscheidung lagen langjährige Rechtstreitigkeiten um das Umgangsrecht des Beschwerdeführers mit seinem am 25.08.1999 geborenen nicht ehelichen Kind zugrunde.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 14.10.2004 der Verfassungsbeschwerde stattgegeben. In den Gründen ist ausgeführt, das Oberlandesgericht habe in dem (letzten) Beschluss vom 30.06.2004 aus den in den Leitsätzen genannten Gründen gegen Artikel 6 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip verstoßen. Die EMRK gelte in der deutschen Rechtsordnung im Range eines Bundesgesetzes und sei bei der Interpretation des nationalen Rechts zu berücksichtigen. Die Entscheidungen des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entfalte Bindungswirkung. Die EMRK und ihre Zusatzprotokolle seien völkerrechtliche Verträge, der Bundesgesetzgeber habe den Übereinkommen jeweils mit förmlichem Gesetz gem. Artikel 59 II GG zugestimmt, damit sei die EMRK in das deutsche Recht transformiert und im Rahmen eines Bundesgesetzes beachtlich. Damit gelte zwar kein unmittelbarer verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, d. h., der Beschwerdeführer kann nicht unmittelbar die Verletzung eines in der EMRK enthaltenen Menschenrechts mit einer Verfassungsbeschwerde rügen.

Der Konventionstext und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte diene auf der Ebene des Verfassungsrechts jedoch als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes. Ausgehend von der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes und der Geltung der EMRK im Rahmen eines Bundesgesetzes ist danach das innerstaatliche Recht einschließlich der Verfassung nach Möglichkeit in Einklang mit der EMRK auszulegen, wenngleich der Verfassung das “letzte Wort” verbleibt.

BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04 – (FamRZ 2004,1857 mit Anmerkung Rixe)

Weitere aktuelle Rechtsprechung zum Familienrecht

Im Falle der Bildung von Ansparabschreibungen nach § 7 EStG, deren steuerliche Auswirkung nicht im Beurteilungszeitraum ausgeglichen wird, ist für den maßgeblichen durchschnittlichen Betriebsgewinn der (letzten drei) Kalenderjahre fiktiv diejenige Steuerbelastung zu berücksichtigen, die den Selbständigen ohne die Ansparabschreibungen getroffen hätte.

BGH, FamRZ 2004,1177

In Sorgerechtsverfahren gilt das Verbot der Schlechterstellung nicht. Verweigert die Mutter jegliche direkte Kommunikation mit dem Vater und trifft sie einseitig Entscheidungen über den Wegzug der Kinder und deren Hinführung zum Islam, so kann dies die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater rechtfertigen.

OLG Celle, FamRZ 2004, 1667

Steuerrechtliche Folgen von Unterhaltszahlungen:

Unterhaltszahlungen nach § 1615l BGB können als außergewöhnliche Belastungen nach § 33a I EStG steuerlich absetzbar sein, wenn für die Kindesmutter selbst kein Anspruch auf Kindergeld oder Kinderfreibetrag besteht.

BFH, BFH-Report 2004, 1011; FamRZ 2004, 1643.

Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für den Unterhalt an unterhaltsbedürftige Partnerin

Der Steuerpflichtige kann Aufwendungen für den Unterhalt seiner unterhaltsbedürftigen Partnerin abziehen, soweit ihr zum Unterhalt bestimmte öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen ihres Partners gekürzt worden sind.

BFH; FamRZ 2004, 1642

E r b r e c h t

Zum gemeinschaftlichen Testament:

Setzen Ehegatten durch ein gemeinschaftliches Testament eine Nichte als Schlusserbin ein, so kann der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Erstversterbenden keine widersprechenden Anordnungen treffen. Die in dem jüngeren Testament Bedachten können nicht als Erben die dem letztverstobenen Ehegatten hinterlassene Erbschaft ausschlagen, weil das letzte Testament – und damit ihre Erbeinsetzung – unwirksam ist und erst in Folge der Ausschlagung wirksam werden könnte.

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 01.07.2004 – 3 W 102/04 -

Über § 2268 II BGB fortgeltende wechselbezügliche Verfügungen behalten nach der Scheidung ihre Wechselbezüglichkeit und können nicht gem. § 2271 I 2 BGB durch einseitige Verfügung von Todes wegen wieder aufgehoben werden.

BGH, FamRZ 2004, 1565

A l l g e m e i n e H i n w e i s e f ü r A r b e i t g e b e r:

Gleitzone

Für Beschäftigungen mit einem regelmäßigen monatlichen Arbeitsentgelt von 401,00 € bis 800,00 € (Gleitzone) ist ein reduzierter Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen zu entrichten. Der Ausgangswert zur Ermittlung des Arbeitnehmerbeitrags wird nach folgender Formel berechnet:

1,4048 x Arbeitsentgelt – 323,84.

Dies bedeutet, dass beispielsweise bei einem Arbeitsentgelt von 500,00 € die Arbeitnehmeranteile aus 378,56 € zu berechnen sind. Da sich die Rahmenbedingungen zum Jahreswechsel nicht verändert haben, bleibt diese Formel auch für das Jahr 2005.

Wichtige Änderungen im Überblick:

Arbeitgeber konnten ihren Beschäftigten bis Ende 2003 bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte steuer- und beitragsfrei ersetzen, wenn die Zuschüsse zusätzlich zum Lohn gezahlt wurden. Durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 ist diese Möglichkeit entfallen.

Bei der Überlassung einer Monatsmarke für ein Job-Ticket ist die monatliche Freigrenze der Sachbezüge iHv. 44,00 € anwendbar. Der aufgrund einer Tarifermäßigung bei einem Großkundenrabatt gegenüber dem üblichen Preis verminderte Betrag stellt unter diesen Voraussetzungen keinen steuer- und beitragspflichtigen geldwerten Vorteil dar. Wird eine Jahresnetzkarte zur Verfügung gestellt, wird häufig die Freigrenze von 44,00 € überschritten mit der Folge, dass Lohnsteuer- und Beitragspflicht eintreten.

Beispiel:

Der Arbeitgeber hat für eine Jahresnetzkarte 410,00 € aufgewendet. Der Arbeitnehmer hat hierfür 360,00 € bezahlt. Bei der Überlassung wird die monatliche freie Grenze von 44,00 € überschritten, so dass der geldwerte Vorteil iHv. 50,00 € als Sachbezugswert zu werten ist und in vollem Umfang der Beitragspflicht unterliegt.

Arbeitgeber, die eine IT-gestützte Lohnabrechnung durchführen, sind verpflichtet, die Lohnsteuerbescheinigung elektronisch an die Finanzverwaltung zu übermitteln.

N e u e s z u r I c h – A G

Ich-AGler sind Selbständige, die einen Existenzgründungszuschuss von der Agentur für Arbeit erhalten. Betrug ihr Arbeitseinkommen regelmäßig 400,00 € oder weniger, lag keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung vor.

Seit dem 01.08.2004 sind auch diese Selbständige mit einem Arbeitseinkommen bis 400,00 € rentenversicherungspflichtig. Der Mindestbeitrag zur Rentenversicherung beträgt zurzeit 78,00 €.

Gründer einer Ich-AG müssen seit dem 27.11.2004 einen Finanzierungs- und Kapitalplan, eine Umsatz- und Rentabilitätsvorschau, eine Kurzbeschreibung ihrer Geschäftsidee und die Beurteilung der Tragfähigkeit (Tragfähigkeitsbescheinigung) insbesondere durch die Industrie- und Handelskammern oder die Handwerkskammern bei der Agentur für Arbeit vorlegen. Hintergrund ist, dass sich einige Ich-AGs nicht dauerhaft am Markt etablieren konnten.

P f ä n d u n g s f r e i g r e n z e n

Alle zwei Jahre werden die Pfändungsfreigrenzen an die Entwicklung des steuerlichen Grundfreibetrags angepasst. Die bisher geltenden Pfändungsfreigrenzen sind noch bis 30.06.2005 gültig. Es gelten folgende Werte:

- der Pfändungsfreibetrag für Alleinlebende beträgt: 930,00 € monatlich

- dieser Betrag erhöht sich für den ersten Unterhaltsberechtigten um einen Zuschlag von 350,00 €

- sowie für jeden weiteren Unterhaltsberechtigten um einen Zuschlag von jeweils 195,00 €.

Der maximal unpfändbare Anteil des Weihnachtsgeldes beträgt 500,00 €.

Die Pfändungsfreigrenzen werden zum 01.07.2005 angepasst.

N e u e s z u m V e r t r a g s r e c h t:

Widerrufsrecht bei Online-Versteigerungen

Bei Kaufverträgen zwischen einem gewerblichen Anbieter und einem Verbraucher, die im Rahmen einer so genannten Internet-Auktion durch Angebot und Annahme gem. § 145 ff. BGB und nicht durch einen Zuschlag nach § 156 BGB zustande kommen, ist das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht nach § 312 d IV 5 BGB ausgeschlossen.

BGH, Urteil vom 03.11.2004 – VIII ZR 375/03 -

Anwendbarkeit der Vorschriften des Haustürgeschäftewiderrufsgesetzes beim Beitritt zu einer Gesellschaft

Auf den Beitritt zu einer Anlagegesellschaft sind die Vorschriften des Haustürgeschäftewiderrufsgesetzes anwendbar. Bei einem Beitritt zu einer KG endet das Widerrufsrecht nach dem Haustürgeschäftewiderrufsgesetz bei unterbliebener Belehrung gem. § 2 I 4 HWiG (in der bis zum 30.09.2000 geltenden Fassung) nicht schon einen Monat nach Eintragung des Gesellschaftsbeitritts im Handelsregister und Zahlung der Einlage. Zu den Leistungen, mit deren vollständiger Erfüllung die Widerrufsfrist zu laufen beginnt, gehören vielmehr auch die mit der Beteiligung angestrebten wirtschaftlichen Vorteile, insbesondere die Auszahlung von Gewinnanteilen bzw. die steuerlich relevante Zuweisung von Verlusten. Auf Geschäfte, die dem Haustürgeschäftewiderrufsgesetz unterfallen, ist § 7 II 3 VerbrKG nicht analog anwendbar.

BGH, Urteil vom 18.10.2004 – II ZR 352/02 -

Gesetzesvorhaben zum gerichtlichen Anlegerschutz/ Musterverfahren

Das Kapitalmarktrecht ist in seinen Regelungen unüberschaubar und mit unbestimmten Rechtsbegriffen bestückt, die mehr zu Regelverstößen einladen, als dass sie sie verhindern würden. Von effektivem Anlegerschutz kann kaum die Rede sein. Bessere Übersichtlichkeit, Koordination und Durchsetzung der Rechte der Anleger soll durch zwei Gesetzesvorhaben geschaffen werden:

1. Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG)

2. Das Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz (KapInHaG)

Mit der Einführung von Musterverfahren im Bereich des Kapitalmarktrechts soll die zivil- und kapitalmarktrechtliche Informations- und Prospekthaftung gestärkt werden. Verfahren zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen falscher oder irre führender öffentlicher Kapitalmarktinformationen sollen danach gebündelt und effizienter geführt werden, Emmitenten angehalten werden, die Publizitäts-, Vertriebs- oder sonstigen Verhaltensregeln einzuhalten. Zugleich soll das Musterverfahren die staatliche Finanzmarktaufsicht als so genannte “zweite Spur” verstärken.

Das zweite Gesetzesvorhaben, das Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz regelt als Teil des 10-Punkte-Plans der Bundesregierung und in Ergänzung des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes sowie des im Sommer letzten Jahres in Kraft getretenen vierten Finanzmarktförderungsgesetzes Schadensersatzansprüche von Aktionären gegenüber einzelnen Managern, die – vorsätzlich oder grob fahrlässig – falsche Angaben über ihr Unternehmen gemacht bzw. marktwichtige Angaben verschwiegen haben. Dazu hat das Bundesfinanzministerium in der ersten Oktoberhälfte einen Diskussionsentwurf vorgelegt, der eine Erweiterung des mit dem vierten Finanzmarktförderungsgesetz 2002 erstmals eingeführten § 37 a Wertpapierhaftungsgesetz (Haftung für falsche ad hoc- Mitteilungen) in personeller und sachlicher Hinsicht vorsieht. Eine Haftungserweiterung auf zuständige Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen durch “offizielle” mündliche Äußerungen wie Auskünfte in der Hauptversammlung oder bei einer Analystenveranstaltung und für den Bereich der börsenrechtlichen Prospekthaftung sind danach vorgesehen. Die Haftung auf externe Experten, die an der Prospekterstellung verantwortlich mitgewirkt haben, soll ausgedehnt werden (§ 44 a BörsG). Die Beweislast soll umgekehrt werden, d. h. den in Anspruch genommenen Managern obliegen. Den Schadensersatzanspruch können Aktionäre geltend machen, die Aktien innerhalb von drei (ursprünglich sechs) Monaten nach der Falschangabe erworben haben. Erleichtert wird daher die Darlegungs- und Beweislast geschädigter Investoren im Rahmen der Kausalität. Die Verjährungsfrist beträgt relativ ein Jahr, absolut drei Jahre.