Infobrief - Hamm - 05/2002
Pressemitteilungen des Bundesgerichtshofs
I. Zur Einstandspflicht des Versicherungsunternehmens aus Sicherungsscheinen für "Incentive-Pauschalreisen"
Der u.a. für Reise- und Personenbeförderungsverträge zuständige X.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, daß ein
Versicherungsunternehmen, das dem Vertragspartner des Veranstalters einer
Pauschalreise Sicherungsscheine gegeben hat, auch gegenüber einem
Unternehmen, das die Reisen zur Weitergabe zu Werbezwecken gebucht hat, für die Rückzahlung des vorausgezahlten Reisepreises einzustehen hat, wenn der Reiseveranstalter insolvent geworden ist.
Das klagende Unternehmen hatte bei einem Reiseveranstalter 20 Busreisen für
den Zeitraum vom 14. bis 16. Juni 1998 nach Paris gebucht, die es im Rahmen
einer Werbemaßnahme an Kunden verschenken wollte. Bestandteil der Reise war
u.a. der Besuch des WM-Fußballspiels Deutschland gegen USA. Das Unternehmen
bezahlte den Reisepreis und erhielt 20 Sicherungsscheine der beklagten
Versicherung. Nachdem das Unternehmen die Reiseteilnehmer benannt hatte,
sagte der Reiseveranstalter die Reise mit der Begründung ab, er sei von der
Ticket-Agentur nicht mit den Eintrittskarten für das Fußballspiel beliefert
worden. Der Reiseveranstalter wurde daraufhin zur Rückzahlung des
Reisepreises verurteilt und stellte, da er nicht zahlen konnte, Antrag auf
Konkurseröffnung. Das klagende Unternehmen nahm daraufhin die Versicherung
aus den Sicherungsscheinen auf Rückzahlung des Reisepreises für die 20
Busreisen in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung wurde die
beklagte Versicherung zur Rückzahlung des Reisepreises verurteilt. Der
Bundesgerichtshof hat dieses Urteil im Ergebnis bestätigt und ausgeführt:
Der klagende Unternehmen könne die Rückzahlung des vorausgezahlten
Reisepreises an sich unabhängig davon verlangen, daß die Klägerin die Reisen
als Verkaufsförderungsinstrument und damit zu gewerblichen Zwecken habe
einsetzen wollen. Bei sogenannten Incentive-Reisen, die Unternehmen ihren
Kunden kostenfrei zur Verfügung stellen, sei auch der gewerbliche Abnehmer
Reisender im Sinne der §§ 651 a ff BGB a.F. Nach Sinn und Zweck dieser
Regelung sei Reisender diejenige Person, die als Vertragspartei des
Reiseveranstalters die Reise bucht oder zu buchen sich verpflichtet.
Unabhängig davon, ob die umworbenen Kunden einen eigenen Anspruch aus dem
Reisevertrag erwerben sollten, sei das klagende Unternehmen Hauptpartei des
Reisevertrages und könne daher aus den Sicherungsscheinen die Rückzahlung
des Reisepreises verlangen.
Daß der Vertragspartner des Reiseveranstalters diesen nicht mit den
Eintrittskarten für das Fußballspiel beliefert habe, sei mit Blick darauf
unerheblich, daß der Reiseveranstalter sich zu deren Bereitstellung
verpflichtet habe. Das Beschaffungsrisiko treffe allein ihn.
BGH,
Urteil vom 16. April 2002
- X ZR 17/01 -
II. Elektroarbeiten von Stadtwerken für private Auftraggeber – ein unlauterer
Wettbewerb?
Dem erwerbswirtschaftlichen Handeln von Gemeinden werden durch die
Gemeindeordnungen der Bundesländer Schranken gesetzt. Diese Vorschriften
sollen die Gemeinden vor den Gefahren einer zu weit gehenden
unternehmerischen Tätigkeit schützen und zugleich verhindern, daß sie ihre
Erwerbstätigkeit zu sehr zu Lasten privater Unternehmen ausdehnen. Nach der
Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte können sich private Unternehmen
jedoch nur in engen Grenzen mit öffentlich-rechtlichen Ansprüchen dagegen
wenden, daß Gemeinden derartige Vorschriften verletzen.
Der u.a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofes hatte über die sehr umstrittene Frage zu entscheiden, ob
ein Wettbewerber aufgrund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) von einem städtischen Unternehmen verlangen kann, keine Arbeiten für privateAuftraggeber zu übernehmen und auszuführen, wenn es mit einer solchen erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit gegen die Vorschriften der Gemeindeordnung (hier: Art. 87 der Bayer. Gemeindeordnung, BayGO) verstößt.
Dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt
zugrunde: Die beklagten Stadtwerke der Landeshauptstadt München wurden im
Jahre 1998 aus einem städtischen Eigenbetrieb in eine GmbH im Alleinbesitz
der Stadt umgewandelt. Seitdem führt die Beklagte auch für private
Auftraggeber Elektroarbeiten aus, darunter auch das Aufstellen und das
Entfernen von Verteilerschränken für die "fliegenden Bauten" auf der Auer
Dult und auf dem Oktoberfest.
Die Klägerin, ein Unternehmen des Elektrohandwerks, hat Unterlassungsklage
erhoben, weil die Übernahme privater Auftragsarbeiten durch die Stadtwerke
nicht mit den Vorschriften zur Begrenzung der erwerbswirtschaftlichen
Tätigkeit der Gemeinden vereinbar sei. Das Landgericht und das
Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten
hatte Erfolg.
Der Bundesgerichtshof hat die Ansicht vertreten, daß eine
erwerbswirtschaftliche Tätigkeit einer Gemeinde nicht schon deshalb als
unlauterer Wettbewerb gegenüber privaten Konkurrenten angesehen werden
könne, weil sie der Gemeinde nach Kommunalrecht untersagt sei. Ansprüche aus dem UWG richteten sich gegen unlauteres Wettbewerbsverhalten auf dem Markt.
Sie hätten nicht den Sinn, Wettbewerbern zu ermöglichen, andere unter
Berufung darauf, daß ein Gesetz ihren Marktzutritt verbiete, vom Markt
fernzuhalten, wenn das betreffende Gesetz den Marktzutritt nur aus Gründen
verhindern wolle, die den Schutz des lauteren Wettbewerbs nicht berührten.
Unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts, das auch die Freiheit des
Wettbewerbs schütze, sei vielmehr jede Belebung des Wettbewerbs, wie sie
unter Umständen auch vom Marktzutritt der öffentlichen Hand ausgehen könne,
grundsätzlich erwünscht. Erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten, die einer
Gemeinde nach Art. 87 BayGO untersagt sein könnten, seien als solche nicht
unlauter, und zwar auch dann nicht, wenn sie von einer Gemeinde ausgeübt
würden. Die Unlauterkeit einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit einer
Gemeinde könne sich zwar gerade auch aus ihrer Eigenschaft als
öffentlich-rechtlicher Gebietskörperschaft und der damit verbundenen
besonderen Stellung gegenüber den anderen Marktteilnehmern, insbesondere den
Verbrauchern, ergeben - etwa wenn öffentlich-rechtliche Aufgaben mit der
erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit verquickt würden, die amtliche Autorität
oder das Vertrauen in die Objektivität und Neutralität der Amtsführung
mißbraucht werde oder der Bestand des Wettbewerbs auf dem einschlägigen
Markt gefährdet werde. Auf derartige Umstände stelle die Gemeindeordnung
aber nicht ab.
Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung könne sich nur auf die Art und Weise
der Beteiligung der öffentlichen Hand am Wettbewerb beziehen. Davon sei die
allgemeinpolitische und wirtschaftspolitische Frage zu unterscheiden, ob
sich die öffentliche Hand überhaupt erwerbswirtschaftlich betätigen dürfe
und welche Grenzen ihr insoweit gesetzt seien oder gesetzt werden sollten.
Die Lösung dieser Frage sei Aufgabe der Gesetzgebung und Verwaltung sowie
der parlamentarischen Kontrolle und für die Gemeinden und Landkreise
gegebenenfalls der Kommunalaufsicht, nicht aber der ordentlichen Gerichte
bei der ihnen zustehenden Beurteilung von Wettbewerbshandlungen nach dem
UWG. Dies gelte auch dann, wenn besondere Vorschriften zur Einschränkung der
erwerbswirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand erlassen worden
seien. Denn auch diese regelten nur den Zugang zum Wettbewerb und sagten
nichts darüber aus, wie er auszuüben sei.
BGH,
Urteil vom 25. April 2002
- I ZR 250/00 -
III. Keine Verunglimpfung der Steinbauweise durch den Slogan "DIE STEINZEIT IST VORBEI!"
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofes hat heute über die Frage entschieden, ob die Verwendung des Werbeslogans "DIE 'STEINZEIT' IST VORBEI!" die Steinbauweise pauschal herabsetzt und damit gemäß § 1 UWG wettbewerbswidrig ist.
Kläger ist der Interessenverband der Bayerischen Ziegelindustrie. Die
Beklagte stellt Häuser in ökologischer Holzrahmen-Bauweise her. Im Rahmen
der Errichtung eines solchen Hauses stellte die Beklagte auf dem
Baugrundstück ein Werbeschild mit der Überschrift "DIE 'STEINZEIT' IST
VORBEI!" auf. Der Kläger hat darin eine pauschale Herabsetzung der Bauweise
mit Ziegelsteinen erblickt und die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch
genommen.
Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die
Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hat angenommen, aufgrund der Verwendung
des Wortes "vorbei" verstehe der angesprochene Verkehr den Werbeslogan
dahin, daß die Steinbauweise erledigt, unüblich und unzeitgemäß sei. Eine
solche unwahre Charakterisierung der Konkurrenzprodukte sei unsachlich,
pauschal herabsetzend und damit wettbewerbsrechtlich unlauter.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, daß das vom Oberlandesgericht
zugrunde gelegte Verkehrsverständnis nicht mit der allgemeinen
Lebenserfahrung in Einklang stehe. Es liege wesentlich näher anzunehmen, daß
zum Ausdruck habe gebracht werden sollen, die Zeit, in der man Häuser nur
aus Stein zu bauen pflegte, sei vorbei, und daß man heute Häuser auch aus
anderen Materialien, etwa aus Holz, bauen sollte. Auf der Grundlage dieses
Verkehrsverständnisses nehme der durchschnittlich informierte und
verständige Verbraucher, auf dessen Sicht es maßgebend ankomme, nicht an,
die Beklagte wolle suggerieren, daß die Steinbauweise "vorüber" im Sinne von
antiquiert und überholt sei. Der verständige Verbraucher nehme die
Werbeaussage nicht wörtlich, weil er die Doppelsinnigkeit des Begriffs
"STEINZEIT", das Wortspiel sowie den Sprachwitz des gesamten Slogans
erkenne.
BGH,
Urteil vom 25. April 2002
- I ZR 272/99 -
BGB – Allgemeiner Teil und Allgemeines Schuldrecht
hier: §§ 162, 269 I, 270 IV, 364 II BGB
Amtliche Leitsätze:
1.
Bestreitet der Gläubiger, dem der Schuldner am letzten Tag der vereinbarten Frist i. H. des geschuldeten Betrages einen Scheck übersandt hat, wahrheitswidrig dessen Eingang und lässt der Schuldner deshalb den Scheck sperren, darf sich der Gläubiger nicht darauf berufen, der Schuldner habe die Frist versäumt, wenn der Scheck bei unverzüglicher Vorlage eingelöst worden wäre.
2.
Nimmt der Schuldner eine Leistungshandlung vor, obwohl er weiß, daß er berechtigt wäre, sie zu verweigern, verzichtet er damit i. d. R. nicht auf die Erhebung der Einrede für den Fall, daß der mit der Handlung bezweckte Erfolg nicht eintritt.
3.
Hat der Gläubiger auf die Rechte aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß verzichtet (§ 843 ZPO), können die Beteiligten dessen Aufhebung beim Vollstreckungsgericht beantragen.
Aus den Gründen:
Der BGH stellt noch einmal klar, daß, wenn der Schuldner eine Zahlungsverpflichtung mittels Scheck erfüllt, es für die Frage der Rechtzeitigkeit der Leistung nicht auf den Zeitpunkt des Leistungserfolgs, sondern den der Leistungshandlung abzustellen ist.
Leistungsort bleibt der Wohnsitz des Schuldners (§ 270 IV, 269 I BGB).
Das gilt allerdings nur dann, wenn die in dem Scheck verkörperte Leistung des Schuldners dem Gläubiger zugeflossen, der darin bezeichnete Betrag ihm also ausbezahlt, gutgeschrieben oder verrechnet ist.
Der Empfänger hat den Scheck nur erfüllungshalber erhalten.
Erfüllung konnte erst mit dessen Einlösung eintreten.
Leugnet der Scheckempfänger wahrheitswidrig den Erhalt des Schecks und legt er das Papier auch nicht alsbald zur Einlösung vor, so kann er sich nicht darauf berufen, daß er den Scheck nicht habe einlösen können und daß deshalb Erfüllung nicht eingetreten sei.
Es gilt der Rechtsgedanke des § 162 BGB.
BGH,
Urteil vom 07.03.2002,
- XI ZR 253/00 -
BGB – Besonderes Schuldrecht (Maklerrecht)
hier: § 652 I S. 1 BGB – Zum Zustandekommen eines Maklervertrages zwischen dem Verkäufermakler und dem Käufer
Amtlicher Leitsatz:
Zwischen dem Verkäufermakler und dem Käufer kommt nach vorangegangener Ablehnung des Vertragsschlusses durch den Käufer ein Maklervertrag nur zustande, wenn der Makler, insbesondere durch ein ausdrückliches Provisionsverlangen gegenüber dem Käufer, eindeutig zum Ausdruck bringt, daß er auch Makler der anderen Seite sein will.
Aus den Gründen:
Der Kläger, der von den Beklagten Zahlung einer Maklerprovision verlangte, war Verkäufermakler.
Er machte die Beklagten auf die Möglichkeit des Erwerbs einer Doppelhaushälfte aufmerksam, der Beklagte zu 2) wies jedoch darauf hin, daß er und die Beklagte zu 1) den Nachweis nicht benötigten, weil ihnen das Objekt bereits bekannt sei. Dennoch übersandte der Kläger noch am selben Tage das Exposé, in welchem auch ein Hinweis auf die zu zahlende Courtage enthalten war. Die Beklagten reagierten auf das Schreiben nicht.
Dann vereinbarte der Kläger telefonisch mit dem Beklagten zu 2) eine Innenbesichtigung, die auch stattfand.
Das OLG hat den Beklagten zu 2) zur Zahlung einer Maklerprovision verurteilt.
Die Revision führte zur vollständigen Abweisung der Klage.
Die BGH-Richter entschieden, daß der schon von der Verkäuferseite eingeschaltete Makler, wenn er mit einem Interessenten in Kontakt tritt und im Erfolgsfall von dem Interessenten eine Provision verlangen will, eindeutig zum Ausdruck bringen muß, daß er auch Makler der anderen Seite sein will.
Das geeignete Mittel hierzu ist ein ausdrückliches Provisionsverlangen.
Ein Kaufinteressent, der in Kenntnis des eindeutigen Provisionsverlangens die Dienste des Maklers in Anspruch nimmt, gibt damit grundsätzlich in schlüssiger Weise zu erkennen, daß er den in dem Provisionsbegehren liegenden Antrag auf Abschluß eines Maklervertrages annehmen will.
Im vorliegenden Fall hatte das OLG allerdings nicht hinreichend berücksichtigt, daß der Beklagte zu 2) den Kläger bereits darauf hingewiesen hat, daß er einen Nachweis nicht mehr benötige und auf die Zusendung des Exposés nicht reagiert hatte.
Darin liege eine Ablehnung des Provisionsverlangens und daran habe sich auch bis zur Innenbesichtigung des Hauses nichts geändert.
BGH,
Urteil vom 11.04.2002,
- III ZR 37/01 -
BGB – Besonderes Schuldrecht (Bereicherungsrecht)
hier: §§ 812, 818 II, III BGB – Anspruch des Verkäufers auf Aufhebung oder Übertragung einer vor Eigentumsübertragung zu Gunsten des Käufers bestellten Grundschuld
Amtliche Leitsätze:
1.
Haftet der Käufer wegen ungerechtfertigter Bereicherung, kann der Verkäufer, der zu Gunsten des Darlehensgebers des Käufers das Grundstück vor Eigentumsübertragung mit einer Grundschuld belastet hat, die Aufhebung oder Übertragung der Grundschuld verlangen, wenn der Gläubiger zu deren Ablösung bereit ist; ein Anspruch auf Wertersatz besteht (jedenfalls) dann nicht (Abgrenzung zu BGHZ 112, 376).
2.
Reicht die Bereicherung des Käufers (Darlehensvaluta, Zinsersparnis gegenüber anderen Kreditformen, Grundstücksnutzungen, Ersatz für Verwendungen u. a. ) zur Ablösung der Grundschuld nicht hin, steht der Anspruch des Verkäufers auf deren Aufhebung oder Übertragung unter dem Vorbehalt der Zahlung des Restes Zug um Zug.
BGH,
Urteil vom 15.03.2002,
- V ZR 396/00 -
GmbHG, HGB
hier: § 35 GmbHG, §§ 74 ff HGB – Zum Schicksal einer Karenzentschädigung bei Freistellung eines GmbH-Geschäftsführers von seinen Dienstpflichten nach ordentlicher Kündigung
Amtliche Leitsätze:
1.
Das im Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot gegen Karenzentschädigung wird nicht allein dadurch verkürzt oder hinfällig, daß er mit der ordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages von seinen Dienstpflichten freigestellt wird.
2.
Die vereinbarte Karenzentschädigungspflicht entfällt mit dem Verzicht der GmbH auf das Wettbewerbsverbot jedenfalls dann nicht, wenn der Verzicht nach ordentlicher Kündigung des Anstellungsvertrages erst zu einem Zeitpunkt erklärt wird, in dem der Geschäftsführer sich auf die mit dem Wettbewerbsverbot verbundenen Einschränkungen seiner neuen beruflichen Tätigkeit eingerichtet hat.
BGH,
Urteil vom 04.03.2002,
- II ZR 77/00 -
AGBG
hier: § 6 III AGBG – Festhalten am Vertrage als unzumutbare Härte für den Verwender
Amtlicher Leitsatz:
Das Festhalten am Vertrag kann für den Verwender einer nach § 9 AGBG unwirksamen Klausel unzumutbar i. S. des § 6 III AGBG sein, wenn feststeht, daß er den Vertrag ohne die Klausel nicht geschlossen hätte.
Aus den Gründen:
Der Kläger verkaufte zwei Wiesengrundstücke zum Preis von 40,00 DM pro m².
Die Parteien fügten dem notariellen Vertrage später eine Nachzahlungsklausel des Inhalts hinzu, daß der Käufer für den Fall einer Bebauung des Grundbesitzes innerhalb von 10 Jahren den Differenzbetrag zwischen dem Kaufpreis von 40,00 DM pro m² und dem dann geltenden Verkehrswert nachzahlen solle.
Später berief sich der Kläger auf die Bebaubarkeit des Grundbesitzes und einen Verkehrswert von nunmehr 765,00 DM und verklagte den Beklagten auf Nachzahlung.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.
Der BGH hob auf und verwies zurück. Das OLG meinte, die Nachzahlungsklausel sei nach § 9 AGBG unwirksam, im übrigen sei der Vertrag aber wirksam, weil das Festhalten an ihm für den Kläger keine unzumutbare Härte i. S. des § 6 III AGBG bedeute.
Dem widersprach der BGH.
Unzumutbar könne das Festhalten am Vertrage dann sein, wenn infolge der Unwirksamkeit einer AGB-Klausel das Vertragsgleichgewicht grundlegend gestört werde. Allerdings genüge nicht schon jeder wirtschaftliche Nachteil des Verwenders, sondern es sei eine einschneidende Störung des Äquivalenzverhältnisses erforderlich, die das Festhalten am Vertrage für ihn unzumutbar mache.
Das gelte jedenfalls dann, wenn die Unwirksamkeit der Klausel nicht ohne weiteres vorhersehbar war.
Einen solchen Fall hielt der BGH hier für gegeben.
Es wäre unbillig und widerspräche der Zielsetzung des AGBG, der Beklagten einen Vorteil zu belassen, der das Vertragsgefüge völlig einseitig zu ihren Gunsten verschiebe.
BGH,
Urteil vom 22.02.2002,
- V ZR 26/01 -
VVG, AUB 88
hier: § 12 I VVG, § 7 I (1) AUB 88 – Rechtsfolge der Leistungsablehnung des Versicherers
Amtlicher Leitsatz:
Die Leistungsablehnung des Versicherers bewirkt nur, daß der ihm zur Prüfung seiner Leistungspflicht eingeräumte Aufschub endet, nicht aber, daß ein noch nicht entstandener Anspruch fällig wird.
Aus den Gründen:
Die Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs auf die Invaliditätsleistung sind in § 7 I (1) AUB 88 geregelt (Unfall, der den Versicherungsfall darstellt, unfallbedingte Invalidität, und zwar innerhalb eines Jahres nach dem Unfall, ärztliche Feststellung spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren 3 Monaten).
Nach § 198 S. 1 BGB beginnt die Verjährung eines Anspruchs im Zeitpunkt seiner erstmaligen Entstehung. Hierunter ist der Zeitpunkt zu verstehen, in welchem der Anspruch erstmalig geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Vorher kann die Verjährung nicht beginnen.
§ 12 I S. 2 VVG weicht davon nur insoweit und zu Gunsten des Versicherungsnehmers ab, als für den Beginn der Verjährung nicht schon die Entstehung des Anspruchs, sondern erst seine Fälligkeit in dem Sinne maßgebend ist, daß nicht nur auf Feststellung, sondern auf sofortige Leistung geklagt werden kann.
§ 11 I VVG enthält allerdings zu Gunsten des Versicherers besondere Fälligkeitsregelungen.
Mit der Leistungsablehnung stellt der Versicherer klar, daß keine weiteren Feststellungen zur Entschließung über den erhobenen Anspruch erforderlich sind; dann aber besteht kein Grund, die Fälligkeit weiter hinauszuschieben. Die Leistungsablehnung bewirkt demgemäß nur, daß der dem Versicherer zur Prüfung seiner Leistungspflicht eingeräumte Aufschub endet, nicht aber, daß ein noch gar nicht entstandener Anspruch fällig wird.
BGH,
Urteil vom 27.02.2002,
- IV ZR 238/00 -
ZPO
hier: § 518 II Nr. 2 ZPO (EG-ZPO § 26 Nr. 5)
Amtlicher Leitsatz:
Die fehlerhafte Bezeichnung einer Partei als „Berufungsbeklagte“ allein rechtfertigt es nicht, die Berufung als unzulässig zu behandeln, wenn die Auslegung der Berufungsschrift ergibt, für und gegen wen die Berufung eingelegt wird.
Aus den Gründen:
Im entschiedenen Fall war der Berufungsschrift an das OLG eine Ablichtung der angefochtenen Entscheidung des LG beigefügt.
Das hielt das OLG als Berufungsinstanz nicht für ausreichend, weil sich Eingang und weiterer Text der Berufungsschrift widersprächen.
Dem folgte der BGH nicht.
Zwar seien an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelklägers strenge Anforderungen zu stellen, was aber nicht bedeute, daß die erforderliche Klarheit über die Person des Rechtsmittelklägers nur durch dessen ausdrückliche Benennung zu erzielen wäre. Sie könne auch durch Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst vorliegenden Unterlagen gewonnen werden.
Das OLG habe rechtsfehlerhaft nicht erkannt, daß die Berufungsschrift der Klägerin jedenfalls in Verbindung mit der ihm vorliegenden Kopie des angefochtenen Urteils den genannten Voraussetzungen genügte.
BGH,
Urteil vom 14.02.2002,
- VII ZR 363/01 -
ZPO
hier: §§ 286, 287 ZPO – Übergehen eines Beweisantritts zu einer Haupttatsache
Amtlicher Leitsatz:
Der Beweisantritt zu einer Haupttatsache darf nicht aufgrund der Würdigung von Indiztatsachen übergangen werden.
Aus den Gründen:
Das OLG hatte seiner Entscheidung unstreitige Indiztatsachen zugrundegelegt, ohne dem Beweisantritt des Klägers zu einer Haupttatsache nachzugehen.
Das billigte der BGH nicht.
Er entschied, daß das Berufungsgericht die Erhebung der von dem Kläger für seine Behauptung angetretenen Beweise auf keinen Fall mit der Begründung ablehnen durfte, das Gegenteil sei bereits erwiesen.
Die Ablehnung einer Beweisaufnahme mit dieser Begründung sei eine verbotene vorweggenommene Würdigung des nicht erhobenen Beweises (BGHZ 53, 245, 260 m. w. N.).
Das gilt auch für den Fall der Anwendbarkeit des § 287 ZPO, soweit es um den Ursachenzusammenhang zwischen der Verletzung von Vertragspflichten und dem Eintritt eines Schadens geht.
Für den Nachweis der haftungsausfüllenden Kausalität gilt zwar § 287 I S. 2 ZPO, der die Bindung des Richters an Beweisanträge lockert und die Durchführung einer beantragten Beweisaufnahme grundsätzlich in sein Ermessen stellt.
„ Es würde jedoch dem Sinn und Zweck des § 287 ZPO, der dem von einer rechtswidrigen Handlung Betroffenen die Darlegung und den Nachweis seines Schadens erleichtern soll, zuwiderlaufen, wenn die Vorschrift dazu dienen könnte, dem Betroffenen einen Nachweis seines Schadens abzuschneiden, der ihm nach allgemeinen Regeln offenstünde.
BGH,
Versäumnisurteil vom 19.03.2002,
- XI ZR 183/01 -
Steuerrecht
§ 370 a AO – Verbrechenstatbestand der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung
Nach § 370 a AO wird mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft, wer gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, Steuern verkürzt oder für sich oder andere nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.
Anders als bei der „normalen“ Steuerhinterziehung liegt angesichts des Mindeststrafmaßes von einem Jahr bei der Steuerhinterziehung nach § 370 a AO ein Verbrechen vor (§ 12 I StGB).
Die weite Definition für ein gewerbsmäßiges Handeln – und somit der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung – lässt befürchten, daß zukünftig eine Vielzahl von Steuerpflichtigen in einem erheblichen Umfang unangemessen kriminalisiert wird. Das Tatbestandsmerkmal „gewerbsmäßig“ wird rein subjektiv als Absicht des Täters, sich durch eine wiederholte Begehung des Grunddeliktes eine fortlaufende Einnahmequelle mindestens von einiger Dauer zu verschaffen, interpretiert.
Werden also beispielsweise über Jahre hinweg Zinseinnahmen nicht erklärt, liegt aufgrund der dauerhaften Begehung der Steuerhinterziehung eine gewerbsmäßige Steuerhinterziehung nach § 370 a AO vor.
Folgende Konsequenzen sind zu beachten:
- die Mindeststrafe beträgt ein Jahr Freiheitsstrafe. Eine Herabsetzung der
Mindeststrafe in minderschweren Fällen sieht § 370 a AO nicht vor;
- eine Selbstanzeige nach § 371 AO ist nicht möglich, da diese ausdrücklich auf
§ 370 AO beschränkt ist;
- eine Einstellung nach §§ 153 ff StrafprozeßO ist rechtlich nicht zugelassen;
- eine Ahndung durch Strafbefehl scheidet aus;
- eine Anklage muß zumindest vor dem Schöffengericht stattfinden (§ 25 GVG);
- dem Beschuldigten muß ein Pflichtverteidiger gestellt werden (§ 140 I Nr. 2
StrafprozeßO);
- es dürfen verdeckte Ermittler eingesetzt werden (§ 110 a StrafprozeßO);
- Telekommunikationsüberwachung nach § 100 a StrafprozeßO und großer
Lauschangriff (§ 100 c StrafprozeßO) sind i. V. m. Geldwäscheverdacht (§ 261
StGB) möglich;
- die gewerbsmäßige Steuerhinterziehung ist automatisch vor Tat der Geldwäsche
(§ 261 I S. 2 Nr. 1 StGB).
In der Sitzung des Bundesfinanzausschusses vom 24.04.2002 beantragte die FDP-Fraktion die Rücknahme des § 370 a AO. Die FDP hat sich den Standpunkt des DSTV zu eigen gemacht und darauf verwiesen, daß durch eine Umgestaltung des Gesetzes in einem besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung, wie im Allgemeinen Strafrecht nicht unüblich, auch die Möglichkeit der Selbstanzeige (§ 371 AO) erhalten bliebe.
Dies sei insbesondere aus fiskalischen Gründen erforderlich. Zudem laufe der steuerliche Berater dann nicht Gefahr, sich durch die Annahme von Honoraren für seine Beratungsleistungen der Geldwäsche strafbar zu machen.
Nach der geltenden Gesetzeslage kann der Berater den Steuerpflichtigen nicht mehr angemessen vertreten, da auch eine Geldwäschestrafbarkeit des steuerlichen Beraters möglich ist (s. BGH, Urteil vom 04.07.2001 in WISTRA 2001, S. 379 ff).
Selbst dann, wenn der steuerliche Berater den Mandanten in von ihm vorgeworfenen gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung unabhängigen steuerlichen Fragen berät, könnte er an einer Geldwäschehandlung beteiligt sein und müsste damit nach dem neuen § 11 III Geldwäschegesetz den Mandanten sofort wegen Geldwäscheverdachts anzeigen.
Eingabe des Deutschen Steuer-
beraterverbandes e. V.,
(DSTV) vom 18.03.2002,
§ 370 a AO – Verbrechenstatbestand der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung
Nach § 370 a AO wird mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft, wer gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, Steuern verkürzt oder für sich oder andere nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.
Anders als bei der „normalen“ Steuerhinterziehung liegt angesichts des Mindeststrafmaßes von einem Jahr bei der Steuerhinterziehung nach § 370 a AO ein Verbrechen vor (§ 12 I StGB).
Die weite Definition für ein gewerbsmäßiges Handeln – und somit der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung – lässt befürchten, daß zukünftig eine Vielzahl von Steuerpflichtigen in einem erheblichen Umfang unangemessen kriminalisiert wird. Das Tatbestandsmerkmal „gewerbsmäßig“ wird rein subjektiv als Absicht des Täters, sich durch eine wiederholte Begehung des Grunddeliktes eine fortlaufende Einnahmequelle mindestens von einiger Dauer zu verschaffen, interpretiert.
Werden also beispielsweise über Jahre hinweg Zinseinnahmen nicht erklärt, liegt aufgrund der dauerhaften Begehung der Steuerhinterziehung eine gewerbsmäßige Steuerhinterziehung nach § 370 a AO vor.
Folgende Konsequenzen sind zu beachten:
- die Mindeststrafe beträgt ein Jahr Freiheitsstrafe. Eine Herabsetzung der
Mindeststrafe in minderschweren Fällen sieht § 370 a AO nicht vor;
- eine Selbstanzeige nach § 371 AO ist nicht möglich, da diese ausdrücklich auf
§ 370 AO beschränkt ist;
- eine Einstellung nach §§ 153 ff StrafprozeßO ist rechtlich nicht zugelassen;
- eine Ahndung durch Strafbefehl scheidet aus;
- eine Anklage muß zumindest vor dem Schöffengericht stattfinden (§ 25 GVG);
- dem Beschuldigten muß ein Pflichtverteidiger gestellt werden (§ 140 I Nr. 2
StrafprozeßO);
- es dürfen verdeckte Ermittler eingesetzt werden (§ 110 a StrafprozeßO);
- Telekommunikationsüberwachung nach § 100 a StrafprozeßO und großer
Lauschangriff (§ 100 c StrafprozeßO) sind i. V. m. Geldwäscheverdacht (§ 261
StGB) möglich;
- die gewerbsmäßige Steuerhinterziehung ist automatisch Vortat der Geldwäsche
(§ 261 I S. 2 Nr. 1 StGB).
In der Sitzung des Bundesfinanzausschusses vom 24.04.2002 beantragte die FDP-Fraktion die Rücknahme des § 370 a AO. Die FDP hat sich den Standpunkt des DSTV zu eigen gemacht und darauf verwiesen, daß durch eine Umgestaltung des Gesetzes in einem besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung, wie im Allgemeinen Strafrecht nicht unüblich, auch die Möglichkeit der Selbstanzeige (§ 371 AO) erhalten bliebe.
Dies sei insbesondere aus fiskalischen Gründen erforderlich. Zudem laufe der steuerliche Berater dann nicht Gefahr, sich durch die Annahme von Honoraren für seine Beratungsleistungen der Geldwäsche strafbar zu machen.
Nach der geltenden Gesetzeslage kann der Berater den Steuerpflichtigen nicht mehr angemessen vertreten, da auch eine Geldwäschestrafbarkeit des steuerlichen Beraters möglich ist (s. BGH, Urteil vom 04.07.2001 in WISTRA 2001, S. 379 ff).
Selbst dann, wenn der steuerliche Berater den Mandanten in von der vorgeworfenen gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung unabhängigen steuerlichen Fragen berät, könnte er an einer Geldwäschehandlung beteiligt sein und müsste damit nach dem neuen § 11 III Geldwäschegesetz den Mandanten sofort wegen Geldwäscheverdachts anzeigen.
Eingabe des Deutschen Steuer-
beraterverbandes e. V.,
(DSTV) vom 18.03.2002,
§ 19 EStG – Entgeltumwandlung zur Altersvorsorge
Zur Frage, ob Zahlungen in einen Pensionsfonds, was die Umwandlung von jährlichen Einmalzahlungen (z. B. Urlaubs- und Weihnachtsgeld) angeht, auch insoweit – zumindest im Jahre 2002 – steuerfrei sind, als die Vereinbarung über die Gehaltsänderung auf bereits erdiente Anteile entfällt, hat das BMF dahin Stellung genommen, daß die Entgeldumwandlung zu Gunsten der betrieblichen Altersversorgung auch dann steuerlich anzuerkennen ist, wenn die Vereinbarung über die Gehaltsänderung bereits erdiente, aber noch nicht fällig gewordene Anteile umfasst. Das gilt ab dem 01.01.2002, und zwar für alle Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung.
BMF,
Schreiben vom 07.12.2001,
- IV C 5 – S 2333 – 110/01 -
§ 173 I S. 1 Nr. 1 AO – Änderung eines Steuerbescheides wegen neuer Tatsachen bei beiderseitigem Verschulden
Die Änderung eines Bescheides gemäß § 173 I S. 1 Nr. 1 AO ist nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekanntgewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muß der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Andernfalls trifft den Steuerpflichtigen für das Versäumnis die Verantwortung mit der Folge, daß der Steuerbescheid geändert werden kann. In dem Zusammenhang stellt der Senat fest, daß das FA regelmäßig von der Richtigkeit und Vollständigkeit von Steuererklärungen ausgehen
kann und lediglich bei Unklarheiten und Zweifelsfragen zum Handeln verpflichtet ist.
BFH,
Urteil vom 24.01.2002,
- XI R 2/01 -
§§ 16, 24, 34 EStG – Veräußerung des Geschäftswerts nach Betriebsaufgabeerklärung und Betriebsverpachtung
1.
Die Veräußerung des Geschäftswerts nach Erklärung der Betriebsaufgabe und anschließender Betriebsverpachtung im Ganzen führt zu nachträglichen, nicht nach den §§ 16 und 34 EStG steuerbegünstigten Einkünften aus Gewerbebetrieb i. S. von § 24 Nr. 2 i. V. m. § 15 I S. 1 Nr. 1 EStG.
2.
Ein originärer wie ein derivativer Geschäftswert ist bei der Ermittlung des Aufgabegewinns nach erklärter Betriebsaufgabe im Rahmen der Verpachtung des Gewerbebetriebes nicht anzusetzen.
3.
Sowohl ein selbst geschaffener als auch ein entgeldlich erworbener Geschäftswert ist nicht privatisierbar. Er kann nicht durch Erklärung des Steuerpflichtigen in das Privatvermögen überführt werden, weil er nur im Rahmen eines gewerblichen Betriebs denkbar ist.
4.
Ein Geschäftswert besteht im Fall der Betriebsverpachtung im ganzen in der Hand des Verpächters unabhängig davon, wie dieser von seinem Wahlrecht zwischen Betriebsaufgabeerklärung und Betriebsfortführung Gebrauch macht. Der Geschäftswert geht nicht unter, sondern wird vom Verpächter dem Pächter zusammen mit dem übrigen verpachteten Betriebsvermögen, mit dem er eine untrennbare Organisationseinheit bildet, zur Nutzung überlassen.
5.
Einen „gemeinen Wert“ (= Einzelveräußerungspreis) können nur Einzel-Wirtschaftsgüter haben, nicht hingegen der Geschäftswert, welcher als sog. Gesamtwirtschaftsgut nicht isoliert, sondern nur zusammen mit den übrigen wesentlichen Grundlagen der betrieblichen Organisationseinheit veräußert werden kann.
6.
Ein Steuerpflichtiger kann im Zuge einer Betriebsveräußerung oder –aufgabe zurückbehaltene ungewisse betriebliche Forderungen und Verbindlichkeiten, jedenfalls solange die Ungewißheit fortdauert, nicht in das Privatvermögen überführen.
7.
Bei einer Betriebsverpachtung im Ganzen steht der Betrieb einschließlich des Geschäftswertes auch während der Verpachtung allein im wirtschaftlichen Eigentum des Verpächters. Er ist dem Pächter lediglich (auf Zeit) zur Nutzung überlassen. Das gilt auch in Bezug auf den während der Pachtzeit neu gebildeten und den alten Firmenwert schrittweise surrogierenden Geschäftswert. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn der Verpächter einen (vertraglich geregelten) Anspruch auf Wertausgleich gegen den Verpächter haben sollte.
Mit dieser Entscheidung fasst der BFH seine bisherigen Grundsätze aus verschiedenen Urteilen der vergangenen Jahrzehnte zusammen.
BFH,
Urteil vom 30.01.2002,
- X R 56/99 -
Hinweis zu § 14 I a UStG – Erforderliche Angabe der Steuernummer
Die ab dem 01.07.2002 nach § 14 I a UStG erforderliche Angabe der Steuernummer in der vom leistenden Unternehmer auszustellenden Rechnung dient der besseren Kontrolle des Vorsteuerabzuges. Im Gegensatz zu den Angaben in der Rechnung nach § 14 I UStG (Nettobetrag, USt-Betrag und Bruttobetrag) ist die Angabe der Steuernummer nach § 14 I a UStG nicht notwendige Voraussetzung für den Vorsteuerabzug.
Bericht des Finanzausschusses
des Deutschen Bundestages
vom 23.11.2001,
BT-Drucksache 14/7471
Wirtschaftsrecht
Wirtschaftsförderung: Erhöhung der Zinsen für ERP-Darlehen
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat eine Änderung von ERP-Richtlinien veröffentlicht. Danach werden die Zinsen für ERP-Darlehen jeweils um 0,25 Prozentpunkte für neu zugesagte Kredite angehoben. Der Zins für die Eigenkapitalhilfedarlehen erhöht sich um 0,25 % für das 6. bis einschließlich 10. Jahr der Kreditlaufzeit. Unverändert bleibt die Zinskondition in der Kreditvariante des ERP-Innovationsprogramms (einschließlich Haftungsfreistellung).
Bekanntgabe vom 02.04.2002,
Bundesanzeige Nr. 66 vom 09.04.2002, S. 7373
Vertretungsbefugnis von Steuerberatern vor Sozialgerichten
Ein Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, der mit der Gehaltsbuchhaltung betraut ist, ist nicht berechtigt, vor dem Sozialgericht als Prozeßbevollmächtigter bei der Anfechtung von Beitragsbescheiden eines prüfenden Rentenversicherungsträgers aufzutreten. Dies folgt daraus, daß der in Art. 1 § 5 Nr. 2 RBerG geforderte unmittelbare Zusammenhang, der in Ausnahmefällen das geschäftsmäßige Betreiben fremder Rechtsangelegenheiten zulässt, nicht vorliegt.
Ein unmittelbarer Zusammenhang ist dann anzunehmen, wenn der Wirtschaftsprüfer bzw. Steuerberater ohne die rechtliche Bearbeitung seine eigentliche nach dem Berufsrecht begrenzte Aufgabe nicht sachgemäß erledigen kann. An einem solchen Zusammenhang fehlt es jedoch hier, da die berufliche Angelegenheit des Wirtschaftsprüfers bzw. des Steuerberaters auch ohne die Rechtsbesorgung sinnvoll wahrgenommen werden kann.
BayLSG,
Beschluß vom 04.08.2000,
- L 4 B 38/00 KR -
Familienrecht
§§ 1603, 1606 III S. 2 BGB – Zum Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes gegen den nicht betreuenden Elternteil, dessen eigener angemessener Unterhalt in einer neuen Ehe gesichert ist
Die aus einer Teilzeitbeschäftigung ein monatliches Einkommen von 580,00 – 630,00 DM erzielende Kindesmutter schuldet ihrem Kind den jeweiligen Mindestunterhalt nach der sog. Düsseldorfer Tabelle abzgl. des hälftigen Kindergeldes. Die Barunterhaltspflicht ist nicht gem. § 1603 I BGB ausgeschlossen.
Nach Auffassung des Senats ist der Unterhaltsanspruch der Kindesmutter gegen ihren Ehemann schon bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Rahmen des § 1603 I BGB zu berücksichtigen.
Der Umstand der Wiederheirat des barunterhaltspflichtigen Elternteils ist unterhaltsrechtlich beachtlich. Das Gesetz stellt in § 1603 auf die tatsächlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen ab und bemisst seine Unterhaltspflicht danach, ob und inwieweit er imstande ist, den begehrten Unterhalt ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts zu gewähren. Es ist also die Sicherstellung des eigenen Unterhalts der Unterhaltsschuldnerin in der neuen Ehe zu berücksichtigen.
Auszugehen ist von dem gemeinsamen bereinigten Nettoeinkommen der Eheleute, von dem beiden Ehegatten je die Hälfte zusteht. Unter diesem Gesichtspunkt ist im vorliegenden Fall der Eigenbedarf der Kindesmutter trotz ihrer eigenen geringen Einkünfte gedeckt. Das Berufungsgericht hat den angemessenen Selbstbehalt der Beklagten mit Rücksicht auf die Ersparnis durch die gemeinsame Haushaltsführung mit ihrem neuen Ehemann geringer als mit monatlich mindestens 1.800,00 DM bemessen. Dies ist sachgerecht und nicht zu beanstanden.
Mangels Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts entfiel auch nicht die gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 II S. 3 BGB, der das Kind betreuende Vater kommt deshalb nicht als anderer unterhaltspflichtiger Verwandter i. S. dieser Vorschrift in Betracht.
BGH,
Urteil vom 20.03.2002,
- XII ZR 216/00 -