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Infobrief - Hamm - 08/2001

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs

Bundesgerichtshof zur Verjährung von “Uraltdarlehen” bei Enteignungsmaßnahmen der ehemaligen DDR gegenüber dem Darlehensnehmer

Der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden: Wer von einem Rechtsnachfolger der ehemaligen DDR auf Rückzahlung von landwirtschaftlichen Entschuldungsdarlehen in Anspruch genommen wird, kann sich auch für die Zeit auf Verjährung berufen, für die

wegen Enteignungsmaßnahmen der ehemaligen DDR ein Leistungsverweigerungsrecht bestand.

Die Landschaft der Provinz Sachsen und eine Spar- und Darlehenskasse, die ihren Sitz im heutigen Sachsen-Anhalt hatte, gewährten der Urgroßmutter bzw. dem Großvater der Beklagten ab 1911 mehrere Darlehen, die an dem gleichfalls dort gelegenen landwirtschaftlichen Anwesen der Darlehensnehmer grundpfandrechtlich gesichert wurden. Aufgrund von zwischen 1934 und 1938 nach dem Gesetz zur Regelung der landwirtschaftlichen Schuldverhältnisse vom 1. Juni 1933 durchgeführten Entschuldungsverfahren wurde festgelegt, daß auf die Darlehen Raten in jeweils gleichbleibender Höhe zu entrichten waren, die sowohl Zins- als auch Tilgungsanteile enthielten. Nachdem der Vater der Beklagten, der das landwirtschaftliche Anwesen nebst Verbindlichkeiten übernommen hatte, die damalige DDR verlassen hatte, wurden die Grundstücke von der DDR entschädigungslos enteignet und “in Volkseigentum überführt”. Dadurch sind die dinglichen Sicherheiten erloschen. Nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit übertrug das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen im Juli 1995 einen Teil der früheren landwirtschaftlichen Grundstücke auf die Beklagten als Erben ihres Vaters.

Die Bundesrepublik Deutschland verlangt als Rechtsnachfolgerin der ehemaligen DDR von den Beklagten die Rückzahlung des Darlehenskapitals. Die Beklagten berufen sich u.a. auf Verjährung. Der Bundesgerichtshof hob das der Klage im wesentlichen stattgebende Urteil des Berufungsgerichts auf und bestätigte die Klagabweisung durch das Landgericht.

Es könne dahinstehen, ob die streitgegenständlichen Ansprüche noch bestünden und ob sie der Bundesrepublik Deutschland zustünden. Denn jedenfalls seien die vor dem 1. Januar 1993 fällig gewordenen Ansprüche nach den anzuwendenden Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches bei Zustellung des Mahnbescheids im Dezember 1997 verjährt gewesen.

Zumindest durch die zwischen 1934 und 1938 durchgeführten Entschuldungsverfahren seien die ursprünglichen Darlehensforderungen in Annuitätendarlehen umgewandelt worden, die durch die Pflicht zur Entrichtung gleichbleibender Raten gekennzeichnet seien. Die Tilgungsanteile solcher Darlehen verjährten gemäß § 197 BGB als Zuschlag zu den Zinsen in vier Jahren.

Verjährung sei selbst dann eingetreten, wenn die Beklagten wegen der früheren Enteignungsmaßnahmen die Rückzahlung des Darlehenskapitals bis zur Rückgabe der Grundstücke im Juli 1995 hätten verweigern können. Da dieses Leistungsverweigerungsrecht seinen Grund in den Enteignungsmaßnahmen der früheren DDR gehabt habe, die sich die Bundesrepublik Deutschland als deren Rechtsnachfolgerin zurechnen lassen müsse, sei auch der Zeitraum vor der Rückgabe der Grundstücke bei der Berechnung der Verjährungsfrist zu berücksichtigen.

BGH,

Urteil vom 12.06.2001,

- XI ZR 283/00 -

Anm.:

Das vollständige Urteil liegt hier vor und kann jederzeit abgerufen werden.

BGB – Allgemeiner Teil, StGB

hier: §§ 134 BGB, 203 I Nr. 3 StGB – Zur Nichtigkeit eines Vertrages über den Verkauf einer Rechtsanwaltskanzlei

Amtlicher Leitsatz:

Der Vertrag über den Verkauf einer Rechtsanwaltskanzlei, nach welchem der Erwerber in die bisher bestehende (Außen-) Sozietät eintritt, während der Veräußerer als freier Mitarbeiter für eine Übergangszeit weiterhin tätig sein soll, ist nicht wegen Verstoßes gegen § 203 I Nr. 3 StGB i. V. m. § 134 BGB nichtig.

Aus den Gründen:

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats verletzt ein Vertrag über die Veräußerung einer Anwalts- oder Steuerberatungskanzlei, in der sich der Veräußerer zur Übergabe der Mandantenakten ohne Einwilligung der betroffenen Mandanten verpflichtet, deren informationelles Selbstbestimmungsrecht und die dem Veräußerer nach § 203 StGB auferlegte Schweigepflicht.

Ein Rechtsanwalt darf allerdings einen rechtskundigen Mitarbeiter mit der Besorgung der ihm übertragenen Rechtsangelegenheit betrauen, ohne damit ein Mandantengeheimnis unbefugt zu offenbaren.

In einer Anwaltssozietät erstreckt sich das erteilte Mandat i. d. R. auf alle Sozietätsmitglieder, selbst wenn diese erst später in die Sozietät eintreten.

Ob der betreffende Rechtsanwalt nur als freier Mitarbeiter in die Sozietät aufgenommen wird, ist dabei unerheblich; für die Einbeziehung in das Mandatsverhältnis kommt es allein darauf an, daß er nach außen als Mitglied der Sozietät in Erscheinung tritt (vgl. BGH, WM 2000, 1342).

Da somit alle Sozietätsmitglieder aufgrund des bestehenden Mandatsverhältnisses zur Einsichtnahme in die Mandatsakten berechtigt sind und von Anfang an der anwaltlichen Schweigepflicht unterliegen, scheidet ein unbefugtes Offenbaren eines Geheimnisses i. S. des § 203 I Nr. 3 StGB ihnen gegenüber seitens der bisherigen Sozietätsmitglieder aus.

BGH,

Urteil vom 13.06.2001,

- VIII ZR 176/00 -

BGB – Besonderes Schuldrecht (AmtshaftungsR); BauNVO

hier: §§ 839 BGB, 15 BauNVO – Zur Rechtswidrigkeit einer Baugenehmigung

Amtlicher Leitsatz:

Zur Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Baugenehmigung für ein Vorhaben, bei dem die Gefahr besteht, daß es unzumutbaren Belästigungen oder Störungen durch Geruchsimmissionen ausgesetzt ist (hier: Geplante Wohnbebauung, die an einen bestandsgeschützten Rindermastbetrieb heranrückt).

Aus den Gründen:

Die Kläger beabsichtigten, zwei im Gebiet der beklagten Stadt belegene Grundstücke mit einer Wohnanlage in Form eines 4-Seiten-Hofes und zwei Einfamilienhäusern zu bebauen.

Die beklagte Stadt erteilte die Baugenehmigung, die Kläger begannen unverzüglich mit den Bauarbeiten.

Nördlich an das Baugelände grenzt ein im Eigentum des Landkreises F. stehendes Grundstück an, das an den Betreiber einer Rindermastanlage verpachtet ist.

Die Rechtsvorgänger des Landkreises F. legten gegen die den Klägern erteilte Baugenehmigung Widerspruch ein und beantragen die Herstellung von dessen aufschiebender Wirkung. Diesem Antrag gab das Verwaltungsgericht statt. Daraufhin untersagte die beklagte Stadt die Fortführung der Bauarbeiten und ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheides an. Die Bauarbeiten sind daraufhin eingestellt worden. Die gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts eingelegte Beschwerde der Kläger wies das OVG zurück. Das Regierungspräsidium hob die Baugenehmigungen auf. Hiergegen legten die Kläger kein Rechtsmittel ein. Sie machten nunmehr gegen die Beklagte Amtshaftungsansprüche und Ansprüche aus anderen Rechtsgründen auf Schadensersatz geltend.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Zwar habe das OLG die Maßstäbe, die an die Zulässigkeit des konkreten Vorhabens der Kläger anzulegen sind, zutreffend festgestellt. Die Reichweite des maßgeblichen Rücksichtnahmegebots, das das Maß der zumutbaren Beeinträchtigungen, die im vorliegenden Falle in der Geruchsbelästigung bestehen, bestimmt, sei im wesentlichen von der normativ vorgesehenen Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe im Dorfgebiet geprägt. In diesem Umfang sei der Betrieb vor weiteren Auflagen geschützt. Darauf habe eine sich annähernde, geplante und empfindsame Bebauung Rücksicht zu nehmen. Damit ergebe sich zugleich, daß Maßstab für die Zumutbarkeit von Nachteilen und Belästigungen deren Ortsüblichkeit sei.

Dieser Maßstab liege dabei unterhalb der Grenze, von der ab Immissionen durch Gerüche eine Gesundheitsgefahr darstellen oder die Nutzung eines Grundstücks in einer Weise einschränken, die mit der Gewährung privatnützigen Eigentums nicht mehr zu vereinbaren sind.

„Ob Belästigungen i. S. des Immissionsschutzrechts erheblich sind, richtet sich nach der konkreten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Rechtsgüter, die sich ihrerseits nach der bebauungsrechtlichen Situation und nach den tatsächlichen oder planerischen Vorbelastungen bestimmen“.

Aufgehoben und zurückverwiesen hat der BGH das Urteil des OLG deshalb, weil das OLG im Rahmen der Beweiswürdigung zwei Sachverständigengutachten nicht hinreichend gegeneinander abgewogen und nicht zu erkennen gegeben hat, daß sich nach Herausarbeitung der abweichenden Standpunkte keine weiteren Aufklärungsmöglichkeiten ergeben.

BGH,

Urteil vom 21.06.2001,

- III ZR 313/99 -

BGB – Besonderes Schuldrecht (Bereicherungsrecht, Deliktsrecht)

hier: §§ 812, 826 BGB – Zum Bereicherungsausgleich beim Vorliegen einer wirksamen Anweisung eines Darlehensnehmers an die darlehensgewährende Bank

Amtliche Leitsätze:

1.

Beim Vorliegen einer wirksamen Anweisung eines Darlehensnehmers an die darlehensgewährende Bank zur Überweisung des Darlehensbetrages auf das Konto eines Dritten, vollzieht sich der Bereicherungsanspruch i. S. des § 812 BGB grundsätzlich auch dann innerhalb des jeweiligen Leistungsverhältnisses, wenn sich die Bank bei der Ausführung der Anweisung über die entsprechende Berechtigung zum Abruf der Kreditmittel infolge einer Täuschungshandlung des Anweisenden irrt.

2.

Zu den Voraussetzungen, unter denen in einem solchen Fall der Dritte gegenüber der Bank wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB haftet.

Aus den Gründen:

Nach dem bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff bewirkt der Angewiesene, der von ihm getroffenen, allseits richtig verstandenen Zweckbestimmung entsprechend, mit seiner Zuwendung an den Anweisungsempfänger zunächst eine eigene Leistung an den Anweisenden und zugleich eine Leistung des Anweisenden an den Anweisungsempfänger (vgl. BGH, NJW 1999, 2890 ff und Urteil vom 20.03.2001 – noch nicht veröffentlicht).

Dieser Grundsatz gilt aber nicht ausnahmslos: So hat der BGH wiederholt entschieden, daß dem Angewiesenen jedenfalls ein unmittelbarer Bereicherungsanspruch gegen den Anweisungsempfänger zusteht, wenn es an einer wirksamen Anweisung fehlt und dem Anweisungsempfänger dieser Umstand bei Empfang des Leistungsgegenstandes bekannt ist. Ohne gültige Anweisung kann die Zahlung dem vermeintlich Anweisenden nicht als eigene Leistung zugerechnet werden und der Empfänger kann die Zahlung aus seiner Sicht aufgrund seiner Kenntnis vom Fehlen einer Anweisung auch nicht als Leistung des vermeintlich Anweisenden ansehen. Eine weitere Ausnahme von dem oben erwähnten Grundsatz wird in entsprechender Anwendung des § 822 BGB dann angenommen, wenn es im Deckungsverhältnis an einem Rechtsgrund fehlt, im Valuta-Verhältnis die Leistung unentgeltlich bewirkt ist und die Verpflichtung des Anweisenden zur Herausgabe des Erlangten – aus Rechtsgründen – ausgeschlossen ist.

Schließlich ist ein Durchgriff des Zuwendenden auf den Zuwendungsempfänger ausnahmsweise in dem Fall für zulässig erachtet worden, in dem ein „Doppelmangel

in der Bereicherungskette“ vorlag, d. h. sowohl das Deckungs- als auch das Valuta-Verhältnis mangelhaft waren.

BGH,

Urteil vom 24.04.2001,

- VI ZR 36/00 -

BGB – Besonderes Schuldrecht (ArzthaftungsR); ZPO

hier: §§ 823 BGB, 286 ZPO – Zur Bejahung eines groben Behandlungsfehlers ohne ausreichende Grundlage in den medizinischen Darlegungen des Sachverständigen

Amtlicher Leitsatz:

Der Tatrichter darf einen groben Behandlungsfehler nicht ohne ausreichende Grundlage in den medizinischen Darlegungen des Sachverständigen, erst recht nicht entgegen dessen fachlichen Ausführungen, aus eigener Wertung bejahen.

Aus den Gründen:

Der BGH hat in einem folgenreichen Fall, in dem dem behandelnden Arzt ein Behandlungsfehler unterlaufen war, dem OLG vorgeworfen, einen groben Behandlungsfehler aus eigener Wertung ohne hinreichende Grundlagen in den Darlegungen des medizinischen Sachverständigen angenommen zu haben.

„Auch wenn es insoweit um eine juristische, dem Tatrichter obliegende Beurteilung geht, muß diese doch in vollem Umfang durch die vom ärztlichen Sachverständigen mitgeteilten Fakten getragen werden und sich auf die medizinische Bewertung des Behandlungsgeschehens durch den Sachverständigen stützen können. Es ist dem Tatrichter nicht gestattet, ohne entsprechende Darlegungen oder gar entgegen den medizinischen Ausführungen des Sachverständigen einen groben Behandlungsfehler aus eigener Wertung zu bejahen“.

Im übrigen weist der BGH darauf hin, daß die Tatsache, daß das Vorgehen eines Arztes nach der Ansicht des Gutachters nicht dem anerkannten ärztlichen Standard entspricht, also „einfach“ behandlungsfehlerhaft war, nicht die Bewertung als grob fehlerhaft rechtfertigt. Zwar könne auch eine Gesamtbetrachtung mehrerer „einfacher“ Behandlungsfehler dazu führen, daß das ärztliche Vorgehen zusammengesehen als grob fehlerhaft zu bewerten ist. Auch für diese Feststellung bedarf es aber hinreichend sicherer medizinischer Grundlagen.

Schließlich waren auch die Ausführungen des OLG zur Beweislastumkehr in der Kausalitätsfrage nach Ansicht der BGH-Richter fehlerhaft:

Der Verstoß gegen die Pflicht zur Erhebung eines medizinisch gebotenen Befundes, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges positives Ergebnis erbracht hätte, begründet dann eine Beweiserleichterung beim Nachweis der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden, wenn sich die Verkennung des Befundes als

fundamental oder die Nichtreaktion auf ihn als grob fehlerhaft darstellen würde.

BGH,

Urteil vom 29.05.2001,

- VI ZR 120/00 -

BGB – Besonderes Schuldrecht (Bürgschaft)

hier: §§ 765, 138 I BGB – Zur Sittenwidrigkeit der Bürgschaft eines einkommensschwachen Bürgen

Amtlicher Leitsatz:

Ein einkommensschwacher Bürge ist wirtschaftlich nicht krass überfordert, wenn er die gesamte Bürgschaftsschuld voraussichtlich durch Verwertung des von ihm bewohnten Eigenheims zu tilgen vermag.

Aus den Gründen:

Die beklagte Bürgin, die sich für ihren Sohn, Inhaber einer Firma, verbürgt hatte, war hälftige Eigentümerin eines bebauten Grundstücks; die andere Hälfte gehörte einer ungeteilten Erbengemeinschaft, an der sie wieder zur Hälfte beteiligt war.

Sie wohnte auf dem Grundstück.

Nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Firma des Sohnes nahm die klagende Bank die Bürgin in Anspruch, die ihre Bürgschaftserklärung wegen arglistiger Täuschung anfocht.

Das LG hatte der Klage in der Hauptsache stattgegeben, das OLG hat den Zahlungsanspruch abgewiesen. Der BGH hob auf und verwies zurück.

Der BGH macht zunächst darauf aufmerksam, daß nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und XI. Senats eine Vermutung dafür, daß das Kreditinstitut als Gläubiger die emotionale Beziehung zwischen Hauptschuldner und Bürgen in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, nur dann in Betracht kommt, wenn ein krasses Mißverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und der Leistungsfähigkeit des Bürgen besteht. Daran fehlte es im vorliegenden Fall, weil das Hausgrundstück, an welchem die Beklagte wirtschaftlich zu ¾ beteiligt war, bei Abgabe der Bürgschaftserklärung unstreitig jedenfalls 200.000,00 DM wert war. Damit deckte der Anteil der Beklagten die Hauptsumme der Bürgschaft wertmäßig voll ab. „Das schließt eine Überforderung aus: Der Einsatz des letzten vorhandenen Vermögensguts zur Sicherung der Verbindlichkeiten eines nahen Angehörigen ist nicht ohne weiteres sittlich verwerflich“.

§ 138 I BGB hat - entgegen der Auffassung der Beklagten – sogar dann nicht regelmäßig den Zweck, das Eigenheim eines Bürgen auf Dauer zu erhalten, wenn dessen Einkommen die Pfändungsfreibeträge nur in begrenztem Umfang übersteigt.

Im übrigen kann eine Bürgschaft, die den Bürgen nicht finanziell krass überfordert, nur aufgrund besonders erschwerender und dem Kreditinstitut zurechenbarer Umstände, das Gepräge der Sittenwidrigkeit erlangen. Auch daran fehlte es im entschiedenen Fall.

BGH,

Urteil vom 26.04.2001,

- IX ZR 337/98 -

BGB - Familienrecht

hier: § 1603 II S. 2 BGB – Zur Bestimmung des Begriffs „allgemeine Schulausbildung“

Amtlicher Leitsatz:

Zur Frage der allgemeinen Schulausbildung eines Kindes i. S. d. § 1603 II S. 2 BGB (hier: Teilnahme an einem Lehrgang der Volkshochschule zum nachträglichen Erwerb des Realschulabschlusses).

Aus den Gründen:

Was unter dem Begriff „allgemeine Schulausbildung“ zu verstehen ist, ist der Vorschrift des § 1603 II S. 2 BGB nicht zu entnehmen.

Der BGH hält es für sachgerecht, den Begriff unter Heranziehung der zu § 2 I Nr. 1 BAföG entwickelten Grundsätze auszulegen.

BGH,

Urteil vom 10.05.2001,

- XII ZR 108/99 -

GmbHG

hier: §§ 30, 31, 32 a und 32 b – Nutzungsentschädigungsanspruch des Gesellschafters als eigenkapitalersetzende Gesellschafterhilfe

Amtlicher Leitsatz:

Der durch den in der Krise der Gesellschaft erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag entstandene Nutzungsentschädigungsanspruch des Gesellschafters teilt das Schicksal des bis dahin gestundeten Kaufpreisanspruchs und ist wie dieser als eigenkapitalersetzende Gesellschafterhilfe einzuordnen.

BGH,

Urteil vom 02.07.2001,

- II ZR 264/99 -

KO, BGB

hier: §§ 82 KO, 826 BGB – Konkursspezifische Pflichten des Konkursverwalters gegenüber dem Prozeßgegner

Amtliche Leitsätze:

1.

Den Konkursverwalter treffen bei der Einleitung und Führung eines Aktivprozesses grundsätzlich keine konkursspezifischen Pflichten gegenüber dem Prozeßgegner zur Prüfung hinreichender Erfolgsaussicht von Klage und Rechtsmittel.

2.

Zur Sittenwidrigkeit einer Rechtsverfolgung des Konkursverwalters bei Massearmut im Hinblick auf das Kostenerstattungsrisiko des Prozeßgegners.

Aus den Gründen:

Der Beklagte nahm in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter die jetzige Klägerin, eine Sparkasse, auf Auszahlung eines Guthabens der Gemeinschuldnerin in Anspruch.

Seine Klage ist in zweiter Instanz abgewiesen worden.

Die Klägerin fiel mit ihrem Kostenerstattungsanspruch gegen die unzulängliche Masse überwiegend aus und nahm wegen ihres Kostenschadens den Beklagten persönlich in Anspruch.

Das LG hat den Beklagten zur Zahlung verurteilt; das OLG gab seiner Klage statt.

Die Revision des Beklagten hatte in vollem Umfang Erfolg.

Ein Anspruch aus § 82 KO besteht nach Ansicht des BGH nicht.

„Den Konkursverwalter treffen bei der Einleitung und Führung eines Aktivprozesses der Masse keine konkursspezifischen Pflichten zum Schutze der Kosteninteressen seines Gegners, die aus Rücksicht auf diesen Zweck seine Amtsbefugnisse im Vergleich zur Entschließungsfreiheit eines anderen Klägers beschränken“.

Konkursspezifische Pflichten lassen sich auch nicht aus dem allgemeinen Rechtsgedanken der §§ 57, 60 KO herleiten, weil das mit der Grundwertung der neueren Rechtsprechung des BGH zur Haftung des Konkursverwalters bei drohender Masseunzulänglichkeit nicht vereinbar wäre.

Eine Haftung des Konkursverwalters kommt nur in Betracht, wenn er ihm von der Konkursordnung abverlangte, also konkursspezifische Pflichten verletzt hat. Dazu gehören nicht Pflichten, die dem Konkursverwalter wie jedem Vertreter fremder Interessen gegenüber Dritten obliegen.

Wenn der Konkursverwalter danach schon nicht auf die regelmäßig vorhandenen, im allgemeinen bekannten Gefahren von Geschäften mit einer Konkursmasse hinweisen muß, so gilt das, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, erst recht für von ihm begründete Prozeßrechtsverhältnisse.

Deshalb darf er im Grundsatz auch für den Vertretenen klagen, ohne sich der Gefahr einer persönlichen materiellen Kostenerstattungspflicht auszusetzen, nur weil er die Erfolgsaussichten der Klage fahrlässig überschätzt und damit das Risiko einer Kostenhaftung der Masse unterschätzt.

Eine Ersatzpflicht des Konkursverwalters für den gegnerischen Kostenschaden folgt im Regelfalle auch nicht aus § 826 BGB.

Das Mittel der Klage zur Durchsetzung einer streitigen Rechtsposition ist im allgemeinen rechtlich nicht zu mißbilligen, so daß ohne Hinzutreten besonderer Umstände eine materielle Kostenhaft nach § 826 BGB bei Aktivprozessen des Konkursverwalters ausscheidet.

BGH,

Urteil vom 26.06.2001,

- IX ZR 209/98 -