Infobrief - Hamm - 09/2002
Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs
Anlocken mit falschen Versprechungen zu "Kaffeefahrten" ist strafbar
Ein in der Verkaufsfahrtenbranche tätiger Unternehmer führte Tagesbusreisen
mit Verkaufsveranstaltungen durch, auf denen Wolldecken, Porzellanwaren u.ä.
verkauft werden sollten. Für jede Fahrt richtete er mindestens 1500
persönlich adressierte Werbeschreiben vorwiegend an ältere, nicht mehr
berufstätige Personen. Sechs dieser Fahrten hat die
Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen in Oldenburg zum
Gegenstand einer Anklage zur Wirtschaftsstrafkammer beim Landgericht
Oldenburg gemacht, um eine rechtsgrundsätzliche Entscheidung zur
Zulässigkeit bestimmter Werbemethoden zu erlangen. Soweit der Angeklagte bei
fünf dieser Fahrten ein "leckeres Mittagessen" versprochen, jedoch nur je
eine Konservendose mit Suppe, bzw. mit Brechbohnen zum Mitnehmen verteilen
ließ, hat ihn das Landgericht wegen strafbarer Werbung nach § 4 Abs. 1 UWG
verurteilt. Dagegen hat es abgelehnt, die Vorspiegelung von erzielten
"Topgewinnen" aus angeblich bereits stattgefundenen Verlosungen oder
Lotterien, die auf der Reise überreicht werden sollten, als strafbare
Werbung zu qualifizieren, weil der erforderliche Zusammenhang zwischen
Anpreisung und angebotener Dienstleistung, nämlich der Tagesreise, fehle.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, daß nicht nur das bewußt unwahre und
irreführende Versprechen eines "leckeren Mittagessens", sondern auch das der
Aushändigung eines angeblichen "Topgewinns" in Zusammenhang mit der
angebotenen Tagesbusreise steht. Nur derjenige könne in den Genuß des
vermeintlichen Gewinns kommen, der an der Reise teilnehme. Damit werde auch
das darin liegende Anlocken vom Tatbestand der strafbaren Werbung nach § 4
Abs. 1 UWG erfaßt. Der Senat hat daher den Freispruch in einem weiteren Fall
aufgehoben und den Angeklagten auch insoweit wegen strafbarer Werbung
verurteilt. Er hat die Sache zur erneuten Festsetzung der Strafe unter
Berücksichtigung des erweiterten Schuldumfangs an das Landgericht
zurückverwiesen.
Soweit der Angeklagte auch wegen Betrugs verurteilt worden war, weil er bei
einem Teil der Werbeschreiben eine 0190-Service-Telefonnummer für nähere
Auskünfte angegeben hatte, den Anrufern jedoch keine über den Inhalt der
Werbeschreiben hinausgehenden Auskünfte hatte erteilen lassen, hat der Senat
das Verfahren eingestellt, weil das Landgericht diesen Sachverhalt, der an
sich den Tatbestand des Betrugs erfüllen könnte, nicht ausreichend
festgestellt hat.
BGH,
Urteil vom 15.08.2002,
- 3 StR 11/02 -
BGB
hier: § 164 BGB – Einwendungen der Gesellschafter bei treuhänderischem Erwerb einer gegen eine BGB-Gesellschaft bestehende Werklohnforderung aus Mitteln eines Gesellschafters
Amtlicher Leitsatz:
Dem Kläger, der als Treuhänder eine gegen die BGB-Gesellschaft bestehende Werklohnforderung mit Mitteln eines Mitgesellschafters erworben hat, können die beklagten weiteren Gesellschafter die Einwendungen entgegenhalten, die ihnen gegen den Mitgesellschafter zustehen.
BGH,
Urteil vom 25.07.2002,
- VII ZR 88/01 -
BGB – Allgemeiner Teil
hier: §§ 125, 133, 157 – Zur Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit einer Urkunde
Amtliche Leitsätze:
1.
Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit einer Urkunde ist begründet, wenn der Urkundstext nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Verkehrssitte einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck bringt.
2.
Zur Widerlegung der Vermutung kann auf außerhalb der Urkunde liegende Mittel der Auslegung (Begleitumstände des Geschäfts, Äußerungen der Parteien außerhalb der Urkunde u. a.) zurückgegriffen werden.
Aus den Gründen:
Der Senat bestätigt zunächst die ständige Rechtsprechung des BGH, wonach für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit gilt (vgl. etwa BGH, ZiP 1999, 1887 f).
Allerdings setzt die Vollständigkeits- und Richtigkeitsvermutung voraus, daß der Geschäftsinhalt durch den Urkundstext bestimmt werden kann; unklar Bleibendes kann keine Vermutung für eine bestimmte Erklärung begründen.
Der Urkundstext muß nach Wortlaut und innerem Zusammenhang einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck bringen, zu dessen Ermittlung auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände herangezogen werden können.
BGH,
Urteil vom 05.07.2002,
- V ZR 143/01 -
BGB – Allgemeiner Teil
hier: § 138 BGB – Erschütterung der Vermutung für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten bei besonders grobem Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung
Amtlicher Leitsatz:
Die im Falle des entgeltlichen Erwerbs eines Grundstücks bei einem besonders grobem Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehende tatsächliche Vermutung für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten ist erschüttert, wenn sich die Vertragsparteien in sachgerechter, eine Über- vorteilung regelmäßig ausschließenderweise um die Ermittlung eines den Umständen nach angemessenen Leistungsverhältnisses bemüht haben.
Aus den Gründen:
Ein auf den entgeltlichen Erwerb eines Grundstücks gerichtetes Rechtsgeschäft, das den Wuchertatbestand des § 138 II BGB nicht in allen Punkten erfüllt, kann auch dann gegen die guten Sitten verstoßen und damit nach § 138 I BGB nichtig sein, wenn ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht und weitere Umstände hinzutreten, insbesondere der Begünstigte aus verwerflicher Gesinnung gehandelt hat.
Der erkennende Senat hält ausdrücklich und unverändert daran fest, daß für die Sittenwidrigkeit eines wucherähnlichen Geschäfts auch subjektive Merkmale entscheidend sind. Ein Schluß von objektiven Umständen auf das subjektive Merkmal der verwerflichen Gesinnung ist selbst dann möglich, wenn der Begünstigte keine Kenntnis von den Wertverhältnissen hatte (BGH in BGHZ 146, 303). Wenn die Vertragspartner aber etwa ein Verkehrsgutachten als Grundlage der Kaufpreisbemessung einholen, dann kann damit die tatsächliche Vermutung auf eine verwerfliche Gesinnung erschüttert sein.
BGH,
Urteil vom 19.07.2002,
- V ZR 240/01 -
BGB – Besonderes Schuldrecht (Bürgschaftsrecht); AGBG
hier: §§ 765, 767 I S. 2 BGB, § 9 AGBG
Amtliche Leitsätze:
1.
Die formularmäßige globale Zweckerklärung in der Bürgschaft einer GmbH für Forderungen des Gläubigers gegen die Alleingesellschafter ist unwirksam.
2.
Der Bürge, der eine Höchstbetragsbürgschaft erteilt hat, haftet i. d. R. auch dann nicht über den vereinbarten Betrag hinaus, wenn sich die Hauptverbindlichkeit durch Verschulden oder Verzug des Hauptschuldners erhöht hat.
3.
Eine Formularklausel ist unwirksam, soweit sie vorsieht, daß sich die Bürgschaft auch dann auf Zinsen, Provisionen und Kosten erstreckt, die im Zusammenhang mit den gesicherten Forderungen entstanden sind, wenn dadurch der vereinbarte Haftungshöchstbetrag überschritten wird.
Aus den Gründen:
Der Bürge kann formularmäßig grundsätzlich nicht wirksam verpflichtet werden, die Haftung umfassend für alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aus der Geschäftsverbindung des Gläubigers mit dem Hauptschuldner zu übernehmen, weil eine solche Vereinbarung ihn entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
Anders kann der Fall zu beurteilen sein, wenn der Bürge aufgrund der ihm in der Rechtsbeziehung zum Hauptschuldner zustehenden Befugnisse hinreichend davor geschützt ist, das die Bürgschaftsforderungen deckt, die ohne oder gegen seinen Willen begründet wurden.
Aus diesen Gründen ist eine formularmäßige weite Zweckerklärung regelmäßig auch dann unwirksam, wenn ein Kaufmann oder eine juristische Person die Bürgschaft erteilt.
Die Interessenlage der bürgenden Gesellschaft ist mit der eines Mitgesellschafters, welcher eine Globalverpflichtung übernommen hat, nicht vergleichbar. Jener wird nämlich im allgemeinen zu Lasten der Gesellschaften nur solche Forderungen begründen, die den Gesellschaftszweck fördern und damit auch seinen eigenen wirtschaftlichen Interessen dienen sollen.
Die Rechtsprechung des BGH hat bisher allerdings sog. Erweiterungsklauseln nicht nach §§ 3, 9 AGBG beanstandet.
Diese Auffassung ist in den letzten Jahren im Schrifttum und in der Rechtsprechung auf starke Kritik gestoßen.
Der erkennende Senat hat sich nunmehr den von den OLG Celle und Stuttgart vertretenen Auffassung, daß die Haftungserweiterungsklausel gemäß § 9 I, II Nr. 2 AGBG unwirksam ist, soweit sie einen Anspruch des Gläubigers über den vereinbarten Höchstbetrag hinaus begründen soll, angeschlossen.
Die besondere Form der Höchstbetragsbürgschaft dient dem Zweck, das Haftungsrisiko des Bürgen summenmäßig endgültig festzulegen.
Dieser Schutz wird durch eine Erweiterungsklausel weitgehend beseitigt und begründet für den Bürgen in mehrfacher Hinsicht ein nicht kalkulierbares Risiko, das nach dem Sinn und Zweck einer Höchstbetragsbürgschaft gerade ausgeschaltet sein soll.
Die Aufnahme eines Höchstbetrages in die Bürgschaftsurkunde ist deshalb grundsätzlich so zu verstehen, daß sie das Risiko der Verpflichtung in der Weise verringert (auch in Abweichung von § 767 I S. 2 BGB), daß der Bürge unter keinen Umständen für die Ansprüche des Gläubigers gegen den Hauptschuldner über den vereinbarten Höchstbetrag hinaus einzustehen hat.
BGH,
Urteil vom 18.07.2002,
- IX ZR 294/00 -
BGB – Besonderes Schuldrecht (Geschäftsbesorgungsvertrag), Allgemeiner Teil
hier: §§ 675, 627 II, 123, 138 I BGB
Amtlicher Leitsatz:
Zur Frage, wann die Androhung eines Rechtsanwalts, bei Nichtzustandekommen einer Gebührenvereinbarung das Mandat zu kündigen, gesetz- oder vertragswidrig ist.
Aus den Gründen:
Der klagende Kollege führte Sanierungsverhandlungen mit den Gläubigern und vereinbarte mit dem Mandanten schriftlich ein Pauschalhonorar von 80.000,00 DM und zwar im November 1993.
Der Kollege nahm den Mandanten auf Zahlung eines restlichen Anwaltshonorars von rund 87.000,00 DM nebst Zinsen in Anspruch.
Der Mandant wandte ein, der Kläger habe ihm die Honorarvereinbarung „abgepresst“.
Er habe nämlich zu einem Zeitpunkt, in dem ein Anwaltswechsel nicht mehr möglich gewesen sei, gedroht, das Mandat niederzulegen, wenn er ihm nicht die Zahlung des die gesetzlichen Gebühren übersteigenden Honorars verspreche.
Die Gebührenvereinbarung selbst sei zurückdatiert worden.
Der BGH hob das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zurück.
Er war der Meinung, daß die Honorarvereinbarung weder sittenwidrig war noch wegen rechtswidriger Drohung angefochten werden konnte.
Eine rechtswidrige Drohung liege auch nicht darin, daß der Kollege nicht schon zu Beginn des Mandatsverhältnisses, sondern erst 3 Monate später, als die Sanierungsverhandlungen bereits in vollem Gange waren, die Sondervereinbarung durch Ankündigung der Niederlegung des Mandats durchgesetzt hat.
Das Gesetz lasse (§ 3 BRAGO) entsprechende Gebührenvereinbarungen zu und das Verlangen eines RA nach einem Sonderhonorar sei gerechtfertigt, wenn der mit dem Auftrag verbundene Aufwand den Umfang, den die gesetzliche Gebührenbemessung als durchschnittlich voraussetzt, deutlich überschreitet.
BGH,
Urteil vom 04.07.2002,
- IX ZR 153/01 -
KO
hier: § 30 Nr. 1 Fall 2 KO – Zur Anfechtbarkeit der Zahlung eines Anwaltshonorars
Amtlicher Leitsatz:
Beauftragt der spätere Gemeinschuldner einen Rechtsanwalt mit Sanierungsbemühungen, so ist die Zahlung des Honorars anfechtbar, wenn sie erst fast 2 Monate nach Fälligkeit und nach Zahlungseinstellung erfolgt.
Aus den Gründen:
Die Klage des Konkursverwalters gegen den Anwalt auf Rückzahlung des Honorars hatte nicht schon gemäß § 31 Nr. 1 KO Erfolg, weil sich nicht feststellen ließ, daß die Benachteiligung der Gläubiger als Erfolg der Rechtshandlung gewollt war, was erforderlich gewesen wäre.
Auch eine inkongruente Deckung – i. d. R. ein Beweisanzeichen für eine Benachteiligungsabsicht – lag nicht vor.
Die Klage hatte aber aus § 30 Nr. 1 Fall 2 KO Erfolg.
Die objektive mittelbare Gläubigerbenachteiligung lag darin, daß die Masse um das Honorar verkürzt war.
Allerdings konnte die Zahlung eines der Höhe nach angemessenen Honorars für ernsthafte und nicht von vornherein als aussichtslos erscheinende Sanierungsbemühungen selbst dann, wenn die Bemühungen letztlich gescheitert sind, entsprechend den Grundsätzen über das Bargeschäft einer Deckungsanfechtung entzogen sein (vgl. etwa OLG Hamm, NJW 1998, 1871).
„Insbesondere ist dem Erfordernis eines unmittelbaren Leistungsaustauschs, mit dem das Bargeschäft zum Kreditgeschäft abgegrenzt werden soll“ u. U. auch dann noch gedient, wenn der Anfechtungsgegner wie hier als Geschäftsbesorger vorleistungspflichtig war und die Zahlung unmittelbar nach Abschluß der Geschäftsbesorgung oder, falls die Fälligkeit vertraglich festgelegt war, zu dem festgelegten Zeitpunkt erfolgt.
Dieser zeitliche Zusammenhang war aber hier nicht mehr gegeben, weil die schon am 30.07.1997 fällige Zahlung erst am 22.09.1997 geleistet worden ist.
BGH,
Urteil vom 18.07.2002,
- IX ZR 480/00 -
Steuerrecht
§ 10 e EStG – Nutzung zu eigenen Wohnzwecken bei Einräumung eines Wohnrechts
Im Fall des gemeinsamen Bewohnes einer der Ehefrau gehörenden Wohnung durch die Ehegatten liegt eine Nutzung der Wohnung durch die Ehefrau zu „eigenen“ Wohnzwecken i. S. v. § 10 e EStG auch dann vor, wenn sie ihrem Ehemann ein dingliches Wohnrecht an der gesamten Wohnung bestellt hat.
Lt. Verfügung der OFD Berlin vom 29.07.2002 finden diese Grundsätze auch auf nicht eheliche Lebensgemeinschaften Anwendung.
BFH,
Urteil vom 05.09.2001,
- X R 29/00 -
(BStBl 2002, II, S. 380)
§§ 12, 21 I Nr. 1 EStG – Mietvertrag mit Angehörigen
1.
Mietverträge unter nahen Angehörigen sind i. d. R. der Besteuerung nicht zugrundezulegen, wenn die Gestaltung oder die tatsächliche Durchführung nicht dem zwischen Fremden Üblichen entspricht.
Das gilt auch für Mietverträge, die gleichzeitig mit Lebensgefährten der Angehörigen geschlossen worden sind.
2.
Rechtsgrundlage des Fremdvergleichs sind die §§ 85, 88 AO und § 76 I FGO. Dieser ermöglicht aufgrund einer Würdigung von Beweisanzeichen den Schluß, ob der Leistungsaustausch aufgrund eines Vertrages, der den Tatbestand einer Einkunftsart erfüllt oder aus privaten familiären Gründen stattfindet.
Erst das Ergebnis dieser der Tatsachenfeststellung zuzuordnenden Indizienwürdigung ermöglicht die rechtliche Schlußfolgerung, ob es sich bei den Aufwendungen des Stpfl. um nicht abziehbare Privatausgaben oder um WK oder BA handelt.
3.
Beim Fremdvergleich kann für die Auslegung ursprünglich unklarer Vereinbarungen die spätere tatsächliche Übung der Parteien herangezogen werden.
4.
Weisen ein mit Fremden und mit Angehörigen geschlossener Mietvertrag gleichartige Mängel auf, verliert das zwischen fremden Dritten übliche Vertragsgebahren für die Indizienwürdigung an Gewicht. Die Mängel des Angehörigenvertrages deuten dann nicht ohne weiteres auf eine private Veranlassung des Leistungsaustauschs hin.
BFH,
Urteil vom 28.06.2002,
- IX R 68/99 -
§ 3 Nr. 51 EStG – Steuerfreistellung von AN-Trinkgeldern
Das Gesetz zur Steuerfreistellung von AN-Trinkgeldern vom 08.08.2002 ist in BGBl 2002 I, S. 3331 verkündet worden. Damit werden AN-Trinkgelder, auf die kein Rechtsanspruch besteht, steuerfrei gestellt. Das Gesetz tritt rückwirkend zum 01.01.2002 in Kraft.
§ 32 IV S. 2, 3, 4 und 5 EStG – Freie Kost und Unterkunft während eines Au-Pair-Aufenthalts sind Bezüge des Kindes
1.
Leistungen der Gasteltern für eine Au-Pair-Tätigkeit des Kindes sind Bezüge i. S. v. § 32 IV S. 2 EStG. Soweit diese in freier Unterkunft und Verpflegung bestehen, sind sie nach der SachBezV zu verwerten.
2.
Aufwendungen für erhöhten Lebensbedarf wegen auswärtiger Unterbringung des ledigen Auszubildenden können nicht entsprechend R 43 V LStR 1999 unter dem Gesichtspunkt einer zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung als ausbildungsbedinger Mehrbedarf abgezogen werden.
3.
Der Senat lässt offen, ob auf das von den Gasteltern gezahlte Taschengeld nach der SachBezV zu bewerten ist (im Verhältnis 1:1) oder nach dem Devisenmittelkurs oder Wechselkurs umzurechnen ist.
4.
Bei der Ermittlung der Bezüge bleiben gemäß § 31 IV S. 3 Halbsatz 1 EStG a. F. solche Bezüge außer Ansatz, die „für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind“.
Dies gilt auch für nicht zweckgebundene Bezüge, wenn sie tatsächlich für Ausbildungszwecke verwendet werden.
BFH,
Urteil vom 22.05.2002,
- VIII R 74/01 -
USt – Abtretung des Entgeltanspruchs medizinischer Sachverständiger aus Gutachtenaufträgen
Medizinische Sachverständige treten häufiger ihre Entgeltansprüche aus der Erstellung umsatzsteuerpflichtiger Gutachten an einen Arzt ab, der an der Gutachtenerstellung als Hilfskraft mitgewirkt hat. Dieser rechnet dann im eigenen Namen über die Gutachterleistung ab. Hierzu führt die OFD Koblenz in einer aktuellen Verfügung folgendes aus:
Schuldner der USt aus einem Leistungsaustausch – hier Gutachtenerstellung – ist grundsätzlich derjenige, der als leistender Unternehmer nach außen aufgetreten ist. Dies ist im dargestellten Fall der medizinische Sachverständige, der sich zur Erstellung des Gutachtens verpflichtet hat.
Die USt-Pflicht des medizinischen Sachverständigen geht nicht auf den Arzt über, an den der Entgeltanspruch abgetreten wurde.
Gerade die Abtretung des Zahlungsanspruchs verdeutlicht, daß der Abtretende die in Rede stehende Leistung an den Auftraggeber selbst erbracht hat. Allerdings können daneben auch zwischen dem Arzt und dem Sachverständigen umsatzsteuerlich relevante Leistungsbeziehungen bestehen, je nachdem, ob der als Hilfskraft tätige Arzt als AN des medizinischen Sachverständigen oder ebenfalls als selbständiger Unternehmer für diesen tätig wird.
OFD Koblenz,
Verfügung vom 31.07.2002,
- S 7170 A – St 44 2, S 7275 A – St 44 4 -
Erbschaftssteuer – Erwerbsgegenstand bei einem auf ein Grundstück gerichteten Kaufrechtsvermächtnis
Gegenstand eines Kaufrechtsvermächtnisses, durch das der Erblasser dem Bedachten das Recht einräumt, einen Nachlaßgegenstand zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Preis zu erwerben, ist das durch den Erbfall begründete Gestaltungsrecht und nicht das Grundstück selbst.
Das Gestaltungsrecht unterliegt als Erwerb von Todes wegen (§ 3 I Nr. 1 ErbStG) der Erbschaftssteuer. Das Übernahmerecht ist nicht mit dem für den Gegenstand maßgebenden Steuerwert, sondern mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Beim späteren Grundstückserwerb durch den Vermächtnisnehmer handelt es somit nicht mehr um einen der Erbschaftssteuer unterliegenden Erwerb von Todes wegen und damit auch nicht um einen Erwerbsvorgang i. S. von § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG, so daß dieser Rechtsvorgang grunderwerbsteuerpflichtig ist.
BFH,
Urteil vom 06.06.2001,
- II R 76/99 -
(BStBl 2001 II, S. 605)
Verfassungswidrigkeit der Spekulationsfrist bei der Veräußerung privater Grundstücke
Durch die seit dem 01.01.1999 rückwirkend geltende Neuregelung des § 23 I S. 1 Nr. 1 EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 wurde die Spekulationsfrist bei der Veräußerung privater Grundstücke von 2 auf 10 Jahre angehoben.
Der 13. Senat des FG Köln hat am 25.07.2002 beschlossen, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG zu der Frage einzuholen, ob diese rückwirkende Neuregelung insoweit verfassungsgemäß ist, als sie Spekulationsgewinne aus privaten Grundstücksverkäufen erfasst, bei denen die Behaltefrist von 2 Jahren abgelaufen ist und als sie – auch – Veräußerungsgeschäfte
betrifft, die nach dem 01.01.1999 und vor dem Gesetzesbeschluß des Bundestags am 04.03.1999 abgeschlossen worden sind.
FG Köln,
Beschluß vom 25.07.2002,
- 13 K 460/01 -
§§ 15, 18 EStG, § 2 GewStG – Betreiben einer Privatklinik durch einen Arzt
1.
Bei einem Arzt, der eine Privatklinik betreibt, sind die in der Klinik erbrachten ärztlichen Leistungen, soweit sie in Verbindung mit dem stationären Aufenthalt seiner Patienten erbracht werden, als gewerbliche Tätigkeit zu qualifizieren.
2.
Übt der Steuerpflichtige sowohl eine freie berufliche als eine gewerbliche Tätigkeit aus, sind die Tätigkeiten, selbst wenn sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen ihnen bestehen, zu trennen, sofern dies nach der Verkehrsauffassung möglich ist.
3.
Schuldet ein Steuerpflichtiger gegenüber seinem Auftraggeber einen einheitlichen Erfolg, ist die zur Durchführung des Auftrags erforderliche Tätigkeit regelmäßig als einheitliche zu beurteilen, die steuerlich danach zu qualifizieren ist, welches Tätigkeitselement vorherrscht.
4.
Bei einem Klinikbetrieb, der sowohl ärztliche als auch pflegerische Maßnahmen, Unterbringung und Verpflegung umfasst, sind die im Zusammenhang mit der stationären Aufnahme erbrachten ärztlichen Leistungen regelmäßig als einheitliche gewerbliche Leistung zu beurteilen.
5.
Ausnahmsweise gibt die freiberufliche ärztliche Tätigkeit dem Klinikaufenthalt das Gepräge, wenn dieser notwendiges Hilfsmittel für die ärztliche Tätigkeit ist, mit dem kein besonderer Gewinn erstrebt wird.
6.
Selbst wenn ein Arzt zur Behandlung der Krankheiten auf die Angliederung einer Klinik zur Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit angewiesen ist, führt dies nicht zur Qualifizierung der Einkünfte als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, wenn aus dem Klinikbetrieb eine besondere Gewinnquelle neben dem ärztlichen Beruf eröffnet wird.
7.
Eine Trennbarkeit der ärztlichen von den weiteren Leistungen ist nicht schon deshalb gegeben, weil die ärztlichen Leistungen zusätzlich neben den Pflegesatzerlösen abgerechnet werden.