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Kaufrecht, Steuerrecht, Unterhaltsanspruch - Hamm 11/2001

Pressemitteilungen des Bundesgerichtshofs

I. Bundesgerichtshof zum Zustandekommen eines Kaufvertrages bei einer Internet-Auktion

Der u.a. für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat hatte erstmals über das Zustandekommen und die Wirksamkeit eines über eine sogenannte Internet-Auktion angebahnten Kaufvertrages zu entscheiden.

Der Beklagte richtete auf der Web-Site einer Hamburger Firma, die im Internet die Durchführung von Verkaufsauktionen auch für Private anbietet, eine Seite ein, auf welcher er den Verkauf eines Neuwagens VW-Passat anbot.

Er legte einen Startpreis von 10,- DM, die Schrittweite der abzugebenden

Gebote sowie die Dauer der Auktion fest, bestimmte aber keinen

Mindestverkaufspreis. Zugleich mit der Freischaltung seiner Angebotsseite

gab der Beklagte zusätzlich gegenüber dem Auktionsveranstalter die in den

Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene Erklärung ab, er nehme bereits

zu diesem Zeitpunkt das höchste Kaufangebot an. Der Kläger gab das höchste

Gebot mit 26.350,- DM ab. Der Beklagte lehnte die Lieferung des PKW zu

diesem Preis ab und war zu einem Verkauf des Fahrzeuges nur zu einem Preis

von 39.000,- DM bereit. Der Kläger verlangt mit der Klage Übereignung des

PKW gegen Zahlung von 26.350,- DM.

Das Oberlandesgericht Hamm (NJW 2001, 1142 = JZ 2001, 764) hat der vom

Landgericht Münster (JZ 2000, 730) zunächst abgewiesenen Klage

stattgegeben. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat es die

Revision zugelassen.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner heutigen Entscheidung über die Revision

des Beklagten das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm mit der Begründung

bestätigt, ein Kaufvertrag sei nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 145

ff. BGB zustande gekommen.

Er hat zunächst darauf hingewiesen, daß Willenserklärungen auch per

Mausklick abgegeben werden können, und sodann ausgeführt, der Beklagte habe

nicht lediglich eine unverbindliche Aufforderung zur Abgabe von Geboten

abgegeben, sondern bereits eine wirksame, auf den Abschluß eines Kaufver

trages gerichtete Willenserklärung. Diese liege darin, daß der Beklagte die

von ihm eingerichtete Angebotsseite für die Versteigerung mit der

zusätzlich abgegebenen ausdrücklichen Erklärung, er nehme bereits zu diesem

Zeitpunkt das höchste, wirksam abgegebene Kaufangebot an, freigeschaltet

habe. Der Bundesgerichtshof hat betont, es habe zur Auslegung der Erklärung

des Beklagten keines Rückgriffs auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen

des Auktionsveranstalters bedurft, da die bei der Freischaltung gesondert

abgegebene Erklärung unmißverständlich gewesen sei. Aus diesem Grunde sei

auch eine Überprüfung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen anhand des

AGB-Gesetzes nicht in Betracht gekommen; denn die Willenserklärung des

Beklagten habe, obwohl vom Auktionsveranstalter vorformuliert,

individuellen Charakter.

BGH,

Urteil vom 07.11.2001,

- VIII ZR 13/01 -

II. Bundesgerichtshof zum Auskunftsanspruch von Sortenschutzinhabern

gegen Landwirte nach dem Sortenschutzgesetz

Der unter anderem für das Sortenschutzrecht zuständige X. Zivilsenat des

Bundesgerichtshofes hat zu den Voraussetzungen des in § 10 a Abs. 6

Sortenschutzgesetz (SortG) geregelten Auskunftsanspruchs von

Sortenschutzinhabern gegenüber Landwirten und zur Frage der

Prozeßführungsbefugnis einer mit der Wahrnehmung von Sortenschutzrechten

von Pflanzenzüchtern betrauten GmbH Stellung genommen.

Die Klägerin ist eine GmbH, die die Rechte einer Vielzahl von

Sortenschutzinhabern und Nutzungsberechtigten von Sortenschutzrechten

wahrnimmt. Ihre Gesellschafter sind verschiedene Züchter und seit dem 19.

April 2000 auch der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V. (BDP). Bis

auf drei Züchter sind alle Pflanzenzüchter, deren Sortenschutzrechte noch

Gegenstand des Berufungsverfahrens waren, Mitglieder im BDP. Die

Sortenschutzinhaber, deren Sortenschutzrechte im Rechtsstreit geltend

gemacht werden, haben die Klägerin jeweils u.a. ermächtigt, im eigenen

Namen die dem Züchter gegenüber den Landwirten und sonstigen Dritten

zustehenden Auskunftsrechte wahrzunehmen. Die Klägerin hat von dem

Beklagten, der als Landwirt tätig ist, verlangt, ihr Auskunft darüber zu

erteilen, ob und in welchem Umfang er hinsichtlich im einzelnen

aufgeführter Sorten in der Vegetationsperiode 1997/98 Nachbau betrieben

habe. Nachbau ist nach der gesetzlichen Regelung (§ 10 a Abs. 2 SortG) die

Verwendung von Erntegut als Vermehrungsmaterial, das durch den Anbau von

Vermehrungsmaterial geschützter Sorten im eigenen Betrieb gewonnen wurde.

Gemäß § 10 a Abs. 6 SortG sind Landwirte, die von der Möglichkeit des

Nachbaus Gebrauch machen, sowie von ihnen beauftragte Aufbereiter gegenüber

den Sortenschutzinhabern zur Auskunft über den Umfang des Nachbaus

verpflichtet.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, nicht nur für die von ihr betreuten

EU-Sorten, sondern auch für die nationalen Sorten Auskunft über den Nachbau

und dessen Umfang verlangen zu können, ohne dazu einen konkreten Nachbau

der betroffenen Sorte aufzeigen zu müssen. Der Beklagte ist demgegenüber

der Meinung, daß jedenfalls für das nationale Sortenschutzrecht ein

tatsächlich durchgeführter Nachbau Voraussetzung für die Auskunftspflicht

sei.

Das Landgericht hat dem Auskunftsbegehren für die EU-Sorten stattgegeben,

die Auskunftsansprüche hinsichtlich der nationalen Sorten dagegen verneint.

Die gegen die teilweise Klageabweisung gerichtete Berufung der Klägerin

blieb ohne Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Hinsichtlich der drei Unternehmen, die weder Gesellschafter der Klägerin

noch Mitglieder des BDP sind, hat der Bundesgerichtshof die Voraussetzungen

einer gewillkürten Prozeßstandschaft und damit die Zulässigkeit der Klage

verneint, da die Klägerin kein eigenes schutzwürdiges Interesse an der

Rechtsverfolgung von Ansprüchen von Nichtmitgliedern habe. Im übrigen wäre

die Anerkennung eines schutzwürdigen Interesses der Klägerin, Rechte von

Nichtmitgliedern im eigenen Namen geltend zu machen, auch mit den

Bestimmungen des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) nicht zu vereinbaren, die

Genossenschaften und berufsständischen Vereinigungen entsprechende

Tätigkeiten nur für ihre Mitglieder erlauben (Art. 1 §§ 3 Nr. 7, 7 RBerG).

In der Sache hat der Bundesgerichtshof die Rechtsauffassung des

Berufungsgerichts bestätigt, daß das deutsche Sortenschutzgesetz die

Auskunftspflicht des Landwirts entsprechend den bei Verletzungen

gewerblicher Schutzrechte üblichen Regelungen an die Benutzungshandlung des tatsächlichen Nachbaus bindet. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes kann ein weitergehender Auskunftsanspruch weder aus gemeinschaftsrechtlichen

Regelungen noch aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB)

hergeleitet werden. Ein allgemeiner Auskunftsanspruch läßt sich auch nicht

aus anderen Fallgestaltungen folgern, in denen die Rechtsprechung dem

Auskunftsberechtigten einen umfassenden Auskunftsanspruch zugesprochen hat.

Da das Berufungsgericht nicht feststellt, daß der Beklagte von der

Möglichkeit zum Nachbau tatsächlich Gebrauch gemacht hat, ist es

rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, daß der Klägerin kein

Auskunftsanspruch nach § 10 a Abs. 6 SortG zusteht.

BGH,

Urteil vom 13.11.2001,

- X ZR 134/00 -

III. Bundesgerichtshof zur Sittenwidrigkeit von Mithaftungsübernahmen naher Angehöriger gegenüber gewerblichen Kreditgebern

Der u.a. für Bank- und Bürgschaftsrecht zuständige XI. Zivilsenat des

Bundesgerichtshofes hat entschieden: Die von der Rechtsprechung für die

Sittenwidrigkeit von Mithaftungsübernahmen naher Angehöriger entwickelten

Grundsätze gelten nicht nur für Kreditinstitute, sondern auch für andere

gewerbliche oder berufliche Kreditgeber im Sinne des

Verbraucherkreditgesetzes.

Der damals gerade 18 Jahre alte, einkommens- und vermögenslose Kläger

verpflichtete sich zur Rückzahlung eines seinem Vater gewährten, mit 10% zu

verzinsenden Darlehens von 35.000 DM und einer Laufzeit von unter 3

Monaten. Deswegen unterwarf er sich in einer notariellen Urkunde der

sofortigen Zwangsvollstreckung. Die Vollstreckungsabwehrklage, mit der er

die Sittenwidrigkeit seiner Haftungsübernahme geltend macht, ist in den

Vorinstanzen mit der Begründung erfolglos geblieben, die für

Kreditinstitute bestehende Obliegenheit, die Bonität des Mithaftenden zu

prüfen, treffe die Beklagte nicht. Auf die Revision des Klägers hat der

Bundesgerichtshof der Klage stattgegeben und dazu u.a. ausgeführt:

Die beklagte Kapitalgesellschaft befasse sich gewerbsmäßig mit der

Vermittlung von Finanzierungen und Bausparverträgen. Sie betreibe daher -

wenn auch nur im weiteren Sinne - Geldgeschäfte und unterliege als

gewerblicher Kreditgeber dem Verbraucherkreditgesetz. Damit seien die für

die Sittenwidrigkeit der Mithaftungsübernahme naher Angehöriger gegenüber

Kreditinstituten maßgebenden Kriterien auch für die Beklagte anwendbar. Die

vom Kläger übernommene Verpflichtung sei danach wegen krasser finanzieller

Überforderung sittenwidrig. Es sei nicht konkret zu erwarten gewesen, daß

der Kläger bis zum Ende der Darlehenslaufzeit in die Lage kommen werde,

wenigstens die laufenden Zinsen aufzubringen.

BGH,

Urteil vom 13.11.2001,

- XI ZR 82/01 -

BGB – Besonderes Schuldrecht

hier: § 839 BGB – Schutzpflicht der Amtspflicht des Versteigerungsgerichts zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften im ZV-Verfahren

Amtlicher Leitsatz:

Die Amtspflicht des Versteigerungsgerichts zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften in ZV-Verfahren schützt auch den Meistbietenden; er ist mithin „Dritter“ i. S. des § 839 BGB.

Der Schutzzweck dieser Amtspflicht umfaßt jedoch nicht den entgangenen Gewinn, wenn der Zuschlagsbeschluß wegen eines Zustellungsfehlers wieder aufgehoben wird (Achtung: Insoweit Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung).

Aus den Gründen:

Der Kläger blieb in einem Termin mit einem Gebot von 620.000,00 DM Meistbietender. Der ihm erteilte Zuschlag war auf Erinnerung einer beteiligten Firma gemäß § 83 Nr. 1 ZVG aber wieder aufgehoben worden, weil die Vorschrift des § 43 II ZVG verletzt sei.

In einem späteren Versteigerungstermin, bei dem der Kläger nicht anwesend war, ist der Zuschlag rechtskräftig einem Dritten für ein Meistgebot von 500.000,00 DM erteilt worden. Der Kläger nahm den beklagten Freistaat aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung auf Schadensersatz in Anspruch.

Das OLG hatte seine weitergehende Klage auf Ersatz eines entgangenen Gewinns abgewiesen. Die Revision blieb erfolglos. Nach ständiger Rechtsprechung bestehen die Amtspflichten des das Zwangsversteigerungsverfahren leitenden Beamten zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften auch gegenüber dem Meistbietenden; er ist mithin Dritter i.S. des § 839 BGB.

Der Dritte hat aber nicht ohne weiteres Anspruch auf Ausgleich aller ihn durch die Amtspflichtverletzung zugefügten Nachteile, weil der Umfang des Schadensersatzanspruchs vom Schutzzweck der Amtspflicht abhängt.

Mit der Durchführung des Zwangsversteigerungsverfahrens erzeugt das Versteigerungsgericht daher in einer solchen Fallgestaltung kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, daß sich etwaige Gewinnaussichten eines Bieters auch realisieren lassen; dieser Umstand fällt vielmehr in dessen alleinigen Risiko- und Verantwortungsbereich.

Die noch in dem Urteil vom 02.10.1986 – VersR 1987, 256 f – vertretene gegenteilige Auffassung hat der Senat aufgegeben.

Im entschiedenen Fall konnte der Meistbietende also nur Ersatz der ihm durch den fehlgeschlagenen Ersteigerungsversuch entstandenen Kosten verlangen.

BGH,

Urteil vom 13.09.2001,

- III ZR 228/00 -

Familien- und Erbrecht

§ 1904 BGB – Abbruch der künstlichen Ernährung des Betreuten

Leitsatz:

Die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung des Abbruchs der künstlichen Ernährung kommt, wenn überhaupt, in Betracht, wenn der Wille des nicht bewußtlosen Betroffenen eindeutig feststellbar ist. Eine solche Feststellung ist allenfalls möglich, wenn der Wille in jüngerer Zeit geäußert worden ist, beispielsweise durch eine unmißverständliche Patientenverfügung oder durch ernstzunehmende wiederholte Äußerungen gegenüber Vertrauenspersonen.

OLG Düsseldorf,

Beschluß vom 27.03.2001,

- 25 WX 128/00 (LG Duisburg,

22 T 248/00; AG Oberhausen,

12 XVII 17/00)

§§ 1606 III, 1629 II S. 2 BGB – Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes bei

gleichmäßiger Betreuung durch beide Elternteile

Leitsätze:

1.

Für die Anwendung des § 1629 II S. 2 BGB reicht es aus, wenn ein Elternteil das Kind überwiegend betreut und versorgt. Es genügt, daß der Anteil eines Elternteils an der Betreuung den Anteil des anderen geringfügig übersteigt.

2.

Praktizieren die Eltern bei der Betreuung des minderjährigen Kindes ein striktes Wechselmodell mit im wesentlichen gleichen Anteilen, ist der Bedarf des Kindes konkret nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen beider Eltern unter Berücksichtigung der Mehrkosten zu ermitteln, die durch den ständigen Wechsel des Kindes von einem in den anderen Haushalt entstehen. Für den so ermittelten Bedarf haften die Eltern anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen unter Berücksichtigung ihrer Anteile an der Betreuung.

OLG Düsseldorf,

Urteil vom 12.01.2001,

- 6 UF 71/00 -

(rkr.; AG Wuppertal,

22 F 234/99 )

§§ 1601 ff, 1611 BGB – Kürzung des Unterhaltsanspruchs des volljährigen Kindes auf einen der Billigkeit entsprechenden Beitrag

In einem aktuellen Rechtsstreit nimmt die volljährige mittlerweile an einer psychischen Krankheit erkrankte Tochter ihre Mutter auf Unterhalt in Anspruch. Der Senat hatte zu prüfen, ob die Bedürftigkeit durch eigenes sittliches Verschulden bedingt war und ob infolgedessen ein gänzlicher Ausschluß in Betracht kam oder der in Anspruch genommene Elternteil lediglich einen billigen Beitrag zum Unterhalt der Tochter zu leisten hat.

Der Senat ist zu der Auffassung gelangt, es sei gemäß § 1611 BGB nur ein billiger Beitrag zum Unterhalt zu leisten. In den Gründen ist im wesentlichen ausgeführt:

„Bei einem sittlichen Verschulden handelt es sich nach der Definition der Rechtsprechung um eine Vorwerfbarkeit von erheblichem Gewicht. Es liegt vor, wenn das Verhalten, das die Bedürftigkeit herbeigeführt hat, sittliche Mißbilligung verdient. Der Bedürftige muß in vorwerfbarer Weise anerkannte Gebote der Sittlichkeit außer Acht gelassen haben (BGH, FamRZ 1985, S. 275).

Es sei nicht allein darauf abzustellen, ob die Bedürftigkeit auf Krankheit beruhe. Vielmehr sei an die Lebensführung bis zur Krankheit anzuknüpfen und zu fragen, inwieweit die Bedürftigkeit darauf beruhe.

Nach Auffassung des Senats stellt es einen Verstoß gegen die Gebote der Sittlichkeit dar, wenn man anders lebe und auf die allgemein übliche, auf Vorsorge gegen Risiken bedachte Lebensführung verzichte, weil diese Risiken auf Kosten der Eltern in Kauf genommen werden. Ein dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden entsprechendes Verhalten bestehe im Geben und Nehmen, Rechten stünden Pflichten gegenüber. Wer von seinen Eltern die Finanzierung einer Ausbildung verlange, müsse seine so erworbene Qualifikation auch entsprechend einsetzen.

Wer bewußt Risiken eingehe, könne dies tun, aber nicht auf Kosten der Eltern.

Wer dennoch so handele, verdiene sittliche Mißbilligung.

OLG Hamm,

Urteil vom 19.10.2001,

- 11 UF 36/01 -

(noch nicht rkr.)

§§ 601, 670, 677, 683, 812 BGB – Kein Erstattungsanspruch des Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft für Leistungen bei Wohnungsaufbau

Leitsatz:

Der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, der in die kraft Wohnrechts im Hause des Vaters genutzte Wohnung der Lebensgefährtin gezogen ist, hat für seine Arbeitsleistungen beim Ausbau der Wohnung nach Beendigung der Lebensgemeinschaft durch Tod der Partnerin keinen Erstattungsanspruch gegen deren Vater aus Leihe, GoA oder wegen ungerechtfertigter Bereicherung.

Der Senat führt in den Entscheidungsgründen im einzelnen aus, daß der Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft sein Besitzrecht allein von seiner Partnerin aufgrund des ihr eingeräumten lebenslänglichen Wohnrechtes ableitet und nicht vom Eigentümer-Elternteil der Partnerin.

Ein Vertragsverhältnis zwischen ihm und dem Schwiegervater komme unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht. Allein der Umstand, daß er die Aufnahme des Partners der Tochter geduldet habe, lasse nicht auf einen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen schließen. Hieran ändere sich auch nichts durch Leistungen des Partners beim Ausbau der Wohnung. Auch bzgl. der übrigen Ansprüche fehle es an einem schuldrechtlichen oder einem sonstigen Leistungsverhältnis zwischen den Parteien.

OLG Hamm,

Urteil vom 16.01.2001,

- 29 U 54/00 -

(rkr.; LG Bielefeld,

8 O 375/98)

AGBG

hier: § 1 I AGBG

Amtlicher Leitsatz:

In Bauverträgen sind vorformulierte Vertragsbedingungen nur dann Allgemeine Geschäftsbedingungen, wenn der Verwender im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Absicht der Mehrfachverwendung hatte.

Aus den Gründen:

Im entschiedenen Fall ging es um Vertragsbedingungen, die von einem Notar vorformuliert waren.

Dazu stellt der Senat zunächst fest, daß Vertragsklauseln, die auf Standardformulierungen eines Notars beruhen, nicht schon allein deshalb Allgemeine Geschäftsbedingungen sind (Hinweis auf BGH, NJW 1991, 843).

Grundsätzlich muß die Vertragspartei des Verwenders, die sich im Individualprozeß auf den Schutz des AGBG beruft, die Voraussetzungen für das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen darlegen und beweisen.

Abweichend von diesem Grundsatz genügt der Erwerber seiner Darlegungslast schon durch die Vorlage des mit dem Bauträger abgeschlossenen Vertrages, wenn der Vertragspartner gewerblich als Bauträger tätig ist und der Vertrag Klauseln enthält, die typischerweise in Bauträgerverträgen verwendet werden.

BGH,

Urteil vom 13.09.2001,

- VII ZR 487/99-

VerbrKrG

hier: § 13 III, § 3 II Nr. 1, § 4 I S. 4 und 5, § 6 VerbrKrG

Amtliche Leitsätze:

1.

Nimmt der Kreditgeber die gelieferte Sache bei dem nicht durch das VerbrKrG geschützten Kreditnehmer wieder an sich, findet § 13 III VerbrKrG zu Gunsten eines Verbrauchers, der lediglich neben dem Kreditnehmer als Gesamtschuldner haftet, jedoch selbst aus dem Kreditvertrag nicht berechtigt ist, keine Anwendung.

2.

§ 3 II Nr. 1 VerbrKrG ist im Wege der richtlinienkonformen Auslegung dahin einzuschränken, daß § 4 I S. 4 und 5 sowie § 6 VerbrKrG von der Anwendung auf Finanzierungsleasingsverträge, die einen Eigentumserwerb des Leasingnehmers vorsehen, nicht ausgeschlossen ist.

BGH,

Urteil vom 12.09.2001,

- VIII ZR 109/00 -

GmbHG

hier: § 35 GmbHG, § 626 II BGB – Abmahnung als Voraussetzung der Wirksamkeit der Kündigung eines Dienstvertrages aus wichtigem Grund

Amtliche Leitsätze:

1.

Der Geschäftsführer einer GmbH bedarf keiner Hinweise, daß er die Gesetze und die Satzung der Gesellschaft zu achten und seine organschaftlichen Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen hat; die Wirksamkeit der Kündigung seines Dienstvertrages aus wichtigem Grunde setzt deswegen eine vorherige Abmahnung nicht voraus.

2.

Für die 2-Wochen-Frist in Lauf setzende Kenntnis i. S. des § 626 II BGB kommt es allein auf den Wissensstand des zur Entscheidung über die fristlose Kündigung berufenen und bereiten Gremiums der Gesellschaft an (vgl. BGHZ 139, 89).

Aus den Gründen:

Der BGH hat mit dieser Entscheidung sein Urteil vom 14.02.2000 – ZiP 2000, 667 – bestätigt.

Danach bedarf der Geschäftsführer einer GmbH keiner Hinweise der Gesellschafterversammlung oder des Aufsichtsrats, daß er sich an die Gesetze, an die Satzung und an die in seinem Dienstvertrag niedergelegten Pflichten zu halten hat.

Vielmehr hat er sich ohne Abmahnung und von sich aus im Rahmen seines Pflichtenkreises dem Standard eines ordentlichen Geschäftsmanns entsprechend zu verhalten.

Was die Einhaltung der 2-Wochen-Frist des § 626 II BGB angeht, so genügte im entschiedenen Fall die Kenntnis des Vorsitzenden des Aufsichtsrats selbst dann, wenn der Aufsichtsrat wesentliche Einzelheiten des zu beanstandenden Geschäfts kannte, aus Rechtsgründen nicht.

Für die Kenntnis i. S. von § 626 II BGB kommt es allein auf den Wissensstand des zur Entscheidung über die fristlose Kündigung befugten und bereiten Gremiums an; das ist bei der Beklagten der Aufsichtsrat als Plenum und nicht etwa dessen Vorsitzender.

BGH,

Urteil vom 10.09.2001,

- II ZR 14/00 -

ZPO, BGB

hier: §§ 138 I, 287, 444 ZPO, §§ 252, 675, 667 BGB – Zur Darlegungs- und Beweislast bei vertragswidrig vorenthaltener Rückgabe von Unterlagen durch den rechtlichen Berater eines Mandanten

Amtliche Leitsätze:

1.

Verweigert der rechtliche Berater dem Mandanten vertragswidrig die Rückgabe erhaltener Unterlagen und erschwert er ihm dadurch die Darlegung, infolge dieser Vertragsverletzung einen Schaden erlitten zu haben, kann dies nach den Umständen dazu führen, daß an die Substantiierung des Klagevortrags in diesem Punkt geringere Anforderungen als im Regelfall zu stellen sind.

2.

Gelingt dem Kläger in einem solchen Fall trotz eines den Umständen nach ausreichenden Sachvortrags der von ihm gemäß § 287 ZPO zu führende Beweis nicht und beruht dies möglicherweise darauf, daß ihm die vom rechtlichen Berater vorenthaltenen Unterlagen fehlen, geht die Unmöglichkeit der Tatsachenaufklärung zu Lasten des Beraters.

Aus den Gründen:

Die Klägerin, die sich mit dem An- und Verkauf bestimmter Artikel an Großabnehmer befaßt, beauftragte den Beklagten mit der Erledigung ihrer steuerlichen Angelegenheiten. Der Beklagte – Steuerberater – hatte die Einkommensteuererklärung und die Bilanzen zu erstellen. Ein von der Klägerin beabsichtigtes Geschäft scheiterte an der Zwischenfinanzierung einer Volksbank deshalb, weil die Klägerin die von dem Kreditinstitut angeforderten Bilanzen nicht hat vorlegen können.

Die Klägerin nahm den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch.

LG und OLG haben die Klage abgewiesen. Der BGH hob auf und verwies zurück.

Der BGH warf dem Steuerberater eine besonders schwere Pflichtverletzung vor, weil der Beklagte einer vertraglichen Aufgabe zur Wahrung der Interessen seiner Mandantin zuwider gehandelt hatte und ihm dabei zumindest grobe Fahrlässigkeit zur Last fiel.

„Läßt sich nicht ausschließen, daß die Klägerin bei ordnungsgemäßer Rückgabe der Geschäftsunterlagen mit ihrer Hilfe den Beweis hätte führen können, daß ihr der Kredit gewährt worden wäre, so geht die Ungewißheit über diesen Punkt zu Lasten des Beklagten, der ihr den Beweis durch Verletzung einer vertraglichen Schutzpflicht unmöglich gemacht hat.“

BGH,

Urteil vom 27.09.2001,

- IX ZR 281/00 -

ZPO (Familienprozeßrecht)

hier: §§ 642 I, 767 I ZPO – Zuständigkeit für Vollstreckungsabwehrklagen gegen Unterhaltstitel minderjähriger Kinder

Amtlicher Leitsatz:

Für Vollstreckungsabwehrklagen gegen Unterhaltstitel minderjähriger Kinder ist auch nach Einführung des § 642 I ZPO im Jahre 1998 das Gericht des ersten Rechtszuges des Verfahrens, das zu dem angegriffenen Titel geführt hat, ausschließlich zuständig (§§ 767 I, 802 ZPO).

BGH,

Urteil vom 22.08.2001,

- XII ARZ 3/01 -

ZPO

hier: §§ 233, 519 II S. 3 ZPO – Wiedereinsetzung bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist

Amtlicher Leitsatz:

Der Anwalt kann bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist grundsätzlich erwarten, daß dem Antrag entsprochen wird, wenn einer der Gründe des § 519 II S. 3 ZPO vorgebracht worden ist.

Aus den Gründen:

Trotz restriktiver Praxis des Berufungsgerichts bei Verlängerungsanträgen, die dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin auch mitgeteilt worden war, hat der BGH im entschiedenen Fall Wiedereinsetzung gewährt, weil die Hinweise des Senatsvorsitzenden rechtsstaatlichen Anforderungen nicht genügten.

Der Anwalt, der erstmalig und unter Darlegung eines erheblichen Grundes i. S. des § 519 I S. 3 ZPO die Fristverlängerung beantragt, darf deshalb mit großer Wahrscheinlichkeit erwarten, daß der Vorsitzende sie auch gewähren wird.

BGH,

Beschluß vom 18.09.2001,

- VI ZB 26/01 -

Steuerrecht

§ 21 EStG – Erhaltungsaufwand oder Herstellungskosten bei Gebäudemodernisierung

Die Frage, ob Aufwendungen für die Gebäudemodernisierung sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwand oder lediglich abschreibungsfähige Herstellungskosten darstellen, beschäftigt immer wieder die Gerichte.

Das schleswig-holsteinische Finanzgericht hat hierzu folgende Leitsätze zusammengefaßt:

1.

Es spricht nicht gegen die Annahme von Vollverschleiß, wenn das Gebäude vor Beginn der Baumaßnahmen noch für gelegentliche Übernachtungen genutzt worden ist.

2.

Eine wesentliche Verbesserung ist anzunehmen bei Erneuerung der für die tatsächliche Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmenden Substanz, insbesondere der Geschoßdecken, der Treppen und des gesamten Dachstuhls.

FG Schleswig-Holstein,

Urteil vom 16.02.2001,

- V 231/98 -

Fördergebietsgesetz – Umqualifizierung von Erhaltungsaufwendungen in anschaffungsnahen Herstellungsaufwand

Werden Erhaltungsaufwendungen, die im Rahmen des § 10 i I S. 1 Nr. 2 a EStG wie Sonderausgaben abgezogen werden, in anschaffungsnahen Herstellungsaufwand umqualifiziert, kann der Steuerpflichtige diese Aufwendungen in die Bemessungsgrundlage nach § 8 EigZulG einbeziehen.

Alternativ ist möglich, die anschaffungsnahen Herstellungsaufwendungen wie Sonderausgaben gemäß § 7 FördG abzuziehen. Dabei kann der Steuerpflichtige die auf zwischen dem 31.12.1990 und dem 01.01.1999 durchgeführte Arbeiten entfallenden Aufwendungen ab dem Jahr der Zahlung verteilt auf insgesamt 10 Jahre, maximal 40.000,00 DM, wie Sonderausgaben abziehen. Die diesen Betrag übersteigenden Ausgaben können bei einer als einheitlich zu beurteilenden Baumaßnahme dann aber nicht noch in die Bemessungsgrundlage nach § 8 EigZulG einbezogen werden.

Verfügung der OFD Berlin vom 13.06.2001,

- St 175 – F 1988 c / 1/01 -

§ 7 i EStG – Erhöhte Absetzungen bei Baudenkmalen

Eine Steuervergünstigung nach § 7 i I S. 1 EStG kommt nur bei Baumaßnahmen an oder in einem Gebäude in Betracht, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist. Eine Vergünstigung für Herstellungskosten an baulich selbständigen Anlagen, die nicht Teil des Denkmals selbst sind, scheidet aus, wie das Bundesverwaltungsgericht nunmehr im Anschluß an die Rechtsprechung des BFH entschieden hat.

BVerwG,

Beschluß vom 18.07.2001,

- 4 B 45/01 -

§§ 48, 48 b EStG - Steuerabzug für Bauleistungen - Freistellungsbescheinigung

Mit dem Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe vom 30.08.2001 (BGBl 2001 I S. 2267) wird ab dem 01.01.2002 zur Sicherung von Steueransprüchen bei Bauleistungen ein Steuerabzug eingeführt. Dieser kann unterbleiben, wenn der jeweilige in- oder ausländische Auftragnehmer der Bauleistung seinem Auftraggeber eine Freistellungsbescheinigung vorlegen kann. Diese ist von den für den Auftragnehmer zuständigen Finanzämtern auf formlosen Antrag hin zu erteilen. Die Freistellungsbescheinigung kann projektbezogen oder auch zeitraumbezogen für längstens 3 Jahre erteilt werden.

Das Verfahren zur Erteilung der Freistellungsbescheinigung wird derzeit noch beim Bundesamt für Finanzen entwickelt. Soweit das Verfahren noch nicht endgültig bekannt ist, insbesondere vorgesehene Sicherheitsnummern noch nicht vorliegen, werden die Freistellungsbescheinigungen derzeit von den Finanzämtern noch nicht erteilt.

Vordrucke zur Anmeldung des Steuerabzuges und zum Antrag auf Erstattung des Steuerabzuges werden erst nach bundeseinheitlicher Abstimmung bekannt gemacht.

Ein Muster der künftigen Freistellungsbescheinigung liegt einer Verfügung der OFD Karlsruhe bei.

Verfügung der OFG Karlsruhe vom 04.10.2001,

- F 2303 A – 29 – St 322 -

§ 116 III S. 4 FGO – Verlängerung der Begründungsfrist für Nichtzulassungsbeschwerde

Der BFH hat festgestellt, daß die 2-monatige Frist zur Begründung einer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision nur einmal um einen Monat verlängert werden kann.

BFH,

Beschluß vom 21.09.2001,

- IV B 118/01 -