Steuerrecht, Arzthaftungsrecht und Familienrecht - Hamm, 10/2001
Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs
Kein Kindergeld während der Ableistung des gesetzlichen Grundwehrdienstes
Seit 1996 gehört die Zeit des gesetzlichen Grundwehrdienstes auch dann nicht mehr zu den für die Zahlung von Kindergeld begünstigten Zeiträumen, wenn durch die Aufnahme des Dienstes eine Berufsausbildung unterbrochen worden ist. Stattdessen hat der Gesetzgeber einen Verlängerungstatbestand eingeführt. Danach ist für ein Kind, das den gesetzlichen Wehrdienst geleistet hat, das Kindergeld bei Arbeitslosigkeit über die Vollendung des 21. Lebensjahres hinaus und im Falle der Berufsausbildung über die Vollendung des 27. Lebensjahres hinaus zu gewähren, längstens jedoch entsprechend der Dauer des Grundwehrdienstes. Der BFH hat nun mit Beschluß vom 04.07.2001 VI B 176/00 entschieden, daß es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist, wenn während der Ableistung des Grundwehrdienstes kein Kindergeld gezahlt wird. Die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebotene Freistellung von existenznotwendigem Unterhaltsaufwand für das Kind greift nicht durch, weil für solche Aufwendungen nach dem Soldatengesetz der Bund aufkommt. In Übereinstimmung hiermit hat der BGH schon vor Jahren entschieden, daß Eltern ihrem wehrdienstleistenden Kind nur in Ausnahmefällen unterhaltsverpflichtet sind.
BFH,
Entscheidung vom 04.07.2001,
- VI B 176/00 -
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Beratung durch Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht
Ein Steuerberater, der neben einem FA für Steuerrecht in das Verfahren zur steuerneutralen Umwandlung einer Gesellschaft einbezogen ist, hat seinen Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Darauf, daß der ebenfalls als Berater eingeschaltete Fachanwalt seinen Beratungspflichten nachkommt, darf der Steuerberater sich nicht verlassen; denn wenn sich der eine Berater auf den anderen verläßt, ist die Erreichung des vom Mandanten angestrebten Ziels gefährdet (etwas anderes kann gelten, wenn der Steuerberater den vom Mandanten als „Spezialisten“ eingeschalteten Fachanwalt lediglich „zu begleiten“ hat. Dann hat er den Mandanten vor Fehlleistungen des Spezialisten nur zur warnen, wenn er diese erkennt oder erkennen und zugleich annehmen muß, daß der Mandant die Gefahr möglicherweise nicht erkennt – so BGH, Urteil vom 04.05.20000, XI ZR 142799 -).
BGH,
Urteil vom 19.07.2001,
- IX ZR 246/00 -
Fehlerhafte Beratung durch den Hersteller
Berät der Hersteller eines Geräts den Planer einer technischen Anlage über Eigenschaftungen und Einsatzmöglichkeiten des Geräts für diese Anlage und handelt es sich nicht lediglich um eine unverbindliche Empfehlung i. S. des § 675 II BGB, so unterliegen Schadensersatzansprüche des Planers wegen fehlerhafter Beratung der allgemeinen Verjährungsfrist des § 195 BGB.
Der Zusammenhang der Beratung mit einem späteren Kaufvertrag zwischen dem beratenden Hersteller und einem Dritten führt in einem solchen Fall nicht zur entsprechenden Anwendung der kurzen kaufrechtlichen Verjährungsfrist des § 477 I BGB im Verhältnis zwischen Planer und Hersteller.
BGH,
Urteil vom 27.06.2001,
- VIII ZR 227/00 -
BGB
hier: §§ 823, 278 (Haftung eines Belegkrankenhauses und des Urlaubsvertreters in einer Gemeinschaftspraxis)
Amtliche Leitsätze:
1.
Der Träger eines Belegkrankenhauses hat für die Fehler einer bei ihm angestellten Hebamme einzustehen, solange diese nicht wegen einer besonderen ärztlichen Weisungskompetenz oder der Übernahme der Geburtsleitung durch den Belegarzt diesem zugerechnet werden können.
2.
Ist ein grober Fehler zur Herbeiführung eines Gesundheitsschadens geeignet, so kommt eine Einschränkung der sich hieraus ergebenden Beweislastumkehr unter dem Blickpunkt einer Vorschädigung des Patienten nur dann in Betracht, wenn – was zur Beweislast der Behandlungsseite steht – eine solche Vorschädigung festgestellt ist und gegenüber einer durch den groben Fehler bewirkten Mehrschädigung abgegrenzt werden kann.
3.
Die Haftung nach den Grundsätzen zur Gemeinschaftspraxis (Senatsurteil BGHZ 142, 126 ff) besteht auch dann fort, wenn die Ärzte als Belegärzte im gleichen Krankenhaus tätig sind und die in der Praxis begonnene Behandlung dort fortgesetzt wird.
4.
Wird bei der stationären Behandlung im Krankenhaus die belegärztliche Behandlung vom Urlaubsvertreter fortgesetzt, so ist dieser – wenn keine Gemeinschaftspraxis vorliegt – grundsätzlich Erfüllungsgehilfe des ursprünglich behandelnden Arztes (§ 278 BGB).
BGH,
Urteil vom 16.05.2000,
- VI ZR 321//98 -
Arzthaftungsrecht
hier: §§ 611, 612 – Aufklärung von Krebspatienten
Leitsätze:
Der Arzt ist gehalten, den Patienten klar und eindeutig über die wahre Situation und die realistischen Chancen einer Krebstherapie aufzuklären. Jede im Vorfeld des Vertragsschlusses verschleiernd wirkende oder die realistisch erreichbare Situation verzerrende Maßnahme begründet eine Aufklärungspflichtverletzung.
Bei der Aufklärungspflichtverletzung besteht eine Vermutung dafür, daß sich der Patient bei – unterstellter – sachgerechter Aufklärung „aufklärungsrichtig“ verhalten hätte. Diese Vermutung wird nicht mit dem Hinweis ausgeräumt, daß ein sog. „austherapierter“ Patient jede denkbare Chance ergriffen hätte.
OLG Hamm,
Urteil vom 14.03.2001,
- 3 U 197/00 -
rkr.; LG Münster – 11 O 1093/99 -
Steuerrecht
Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten nach § 33 c EStG n. F.
Es ging um die Anfrage, ob verheiratete Elternpaare die den Betreuungsfreibetrag übersteigenden tatsächlichen Betreuungskosten bis zu 3.000,00 DM pro Kind und Jahr auch dann nach § 33 c EStG n. F. steuerlich geltend machen können, wenn der eine Elternteil z. B. freiberuflich tätig ist und der andere Elternteil einer steuerfreien 630,00 DM-Beschäftigung nachgeht.
Hierzu wird gemäß BT-Drucks. 14/6851 S. 14 wie folgt Stellung genommen:
Voraussetzung für die Berücksichtigung ist nach § 33 c EStG in der ab 2002 geltenden Fassung u. a., daß der Steuerpflichtige und der mit ihm zusammenlebende Elternteil entweder erwerbstätig ist, sich in der Ausbildung befindet, körperlich, geistig oder seelisch behindert oder krank ist. Voraussetzung ist nicht, daß es sich um eine steuerpflichtige Erwerbstätigkeit handelt, ausreichend ist auch eine steuerfreie 630,00 DM-Beschäftigung und eine freiberufliche Erwerbstätigkeit. Mit dieser Änderung durch das zweite Gesetz zur Familienförderung soll ein zusätzlicher Beitrag für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf geleistet werden, der insbesondere Frauen die Aufnahme einer Berufstätigkeit erleichtern soll.
§ 3 Nr. 39 EStG – Erzielung weiterer (positiver) Einkünfte bei freigestellten Einkünften aus geringfügigem Beschäftigungsverhältnis
Erzielt ein Arbeitnehmer neben freigestellten Einkünften aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis weitere positive Einkünfte (etwa infolge einer Festanstellung), geht die Steuerfreiheit der zuvor freigestellten Einkünfte verloren. Insoweit kann infolge eines Hinweises in dem amtlichen Vordruck für eine Freistellungsbescheinigung nicht wirksam eingewandt werden, das FA habe über diese Rechtsfolge nicht hinreichend informiert.
FG Saarland,
Beschluß vom 13.09.2001,
- 1 V 216/01 -
§ 33 a III EStG – Aufwendungen für Beschäftigung einer Haushaltshilfe
Berücksichtigungsfähige Aufwendungen für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe setzen zwar nicht voraus, daß die Beschäftigung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erfolgt. Jedoch sind im Rahmen familiärer Beziehungen gewährte Hilfen nicht begünstigt. In diesem Fall war bei der Beschäftigung der Schwiegermutter des Steuerpflichtigen u. a. von Bedeutung, daß die Tätigkeit ohne zeitliche und inhaltliche Festlegung erfolgt und weit unterhalb des üblichen Verdienstes bar entlohnt wurde.
FG Saarland,
Urteil vom 29.08.2001,
- 1 K 3/99 -
§ 10 Nr. 7 EStG - Ausländisches Studium zur Erlangung des „Master of law“
Strebt ein Steuerpflichtiger als Berufsziel die Tätigkeit in einer Rechtsanwaltskanzlei an, handelt es sich bei Aufwendungen für ein ausländisches Studium zur Erlangung des „Master of law“, das nach dem 1. juristischen Staatsexamen und vor der Tätigkeit als Referendar im Rahmen des juristischen Vorbereitungsdienstes durchgeführt wird, nicht um Fortbildungskosten für ein Zweitstudium, sondern mangels Abschlusses einer Berufsausbildung um Ausbildungskosten, deren Abzugsfähigkeit auf einen Betrag bis zu 1.800,00 DM beschränkt ist (§ 10 Nr. 7 EStG). Es handelt sich auch nicht um vorweggenommene Fortbildungskosten im Zusammenhang mit dem danach aufgenommenen Vorbereitungsdienst.
Hessisches FG,
Urteil vom 02.04.2001,
- 9 K 4334/99
Revision eingelegt,
AZ beim BFH: VI R 67/01
§ 20 EStG – Fahrtaufwendungen zu Aktionärsversammlungen
Auch wenn ein Aktionär Hauptversammlungen vornehmlich zwecks Sicherung der Werthaltigkeit eines Aktienstammrechts besucht, stellen seine Fahrtaufwendungen im Regelfall vollumfänglich abzugsfähige Werbungskosten dar, weil ein werthaltiges Stammrecht auch entsprechend werthaltige Dividendeneinnahmen sichert.
FG Saarland,
Urteil vom 31.05.2001,
- 1 K 114/00, rkr. -
Körperschaftssteuer – Gemeinnützigkeit der universalen Kirche
Eine nach § 5 I Nr. 9 KStG steuerbegünstigte Körperschaft kann dann nicht als gemeinnützig anerkannt werden, wenn der Satzungszweck „Förderung der Religion“ nicht hinreichend bestimmt ist, um die Tätigkeit des Vereins i. S. des § 60 AO prüfen zu können. Auch die Bezugnahme auf die Lehren von Jesus Christus und des Heiligen Franz von Asisi reicht nicht aus, um hinreichend Klarheit über den eigentlichen Satzungszweck zu verschaffen.
FG Nürnberg,
Urteil vom 29.08.2000,
- I 78/99, rkr. -
§§ 4 Nr. 12 a, 15, 16 UStG – Vorsteuerabzug für Annahme bei ausbleibender Leistung
Leitsätze:
1.
Bei richtlinienkonformer Auslegung des § 15 UStG gilt als vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer bereits, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben und erste Investitionsausgaben für diesen Zweck tätigt.
2.
Leistet der Unternehmer für die Lieferung von Gegenständen oder eine Dienstleistung eine Anzahlung, bevor die angezahlte Leistung an ihn bewirkt ist, so ist für den Vorsteuerabzug auf seine Verwendungsabsicht im Zeitpunkt der Anzahlung abzustellen.
3.
Ist eine Grundstücksvermietung beabsichtigt, kommt es darauf an, ob der Unternehmer das Grundstück steuerfrei vermieten oder auf die Steuerfreiheit gemäß § 9 UStG verzichten will. Im erstgenannten Fall ist der Vorsteuerabzug nach § 15 II Nr. 1 UStG ausgeschlossen, im letztgenannten Fall nicht.
Bei späterer Erstattung einer Anzahlung, die für einen steuerpflichtigen Ausgangsumsatz bezweckt war, ist gemäß § 17 UStG eine Berichtigung vorzunehmen.
BFH,
Urteil vom 17.05.2001,
- V R 38/00 -